2005

Philosophische Reflexionen zwischendurch:

 

 

 

Subjektive Wertvorstellungen bilden die Grundlage aller Entscheidungen (Gesang)

...Erst jetzt können wir den Sinn der Rede, dass unser (jeweiliges) Wertschema unhintergehbar ist, verstehen. Wenn wir mit anderen Kulturen umgehen, gehen wir mit ihnen auf der Basis unseres Wertschemas um. Selbst wenn wir uns entschließen, Teile des fremden Wertmodells zu übernehmen, kommt der Impuls zu dieser Entscheidung aus diesem Schema. Weil man das eigene Schema nicht ausschalten kann, muss man sich seiner bedienen und jedenfalls andere Konzepte nach seiner Maßgabe bewerten. Wertschemata sind aber auch nicht ein breites Allgemeingut, sie können sich intrakulturell von Individuum zu Individuum radikal unterscheiden. Was erklärt, warum es viel schwieriger ist, sich über Werte zu einigen als über den Sinn von kommunizierten Sätzen [...] und warum es so viele radikale moralische Meinungsunterschiede gibt und weshalb diese nicht aus der Welt zu schaffen sind. Denn der eine bestimmte Situation Beurteilende kann gar nicht anders, als sein individuelles Wert- und Plausibilitätsschema als verbindlichen universellen Maßstab einzuführen. Sein Wertschema ist unhintergehbar, und deshalb muss er von diesem Schema ausgehen, sobald er wertet, und er bewertet stark von seinen Auffassungen abweichende Praktiken als schlecht. Das heißt aber nicht automatisch, dass der Entscheider auch meinen muss, sein Wertschema müsse den anderen aufgezwungen werden. In dem Wertschema des Entscheiders kann ja auch der Wert der Toleranz enthalten sein. Dann kann der Entscheider das nach seiner Ansicht Schlechte tolerieren, wenn er angesichts eines Konflikts meint, der Wert der Toleranz sei bei dieser Konfliktkonstellation ausschlaggebend.

Wer meint, ein “nur subjektives” Wertschema eines Entscheiders oder einer Gruppe könne nicht als Maßstab für alle erdenklichen Konflikte gelten, weil es eben nur ein subjektives Schema sei, der irrt. Der Entscheider kann gar nicht anders, als sein subjektives Wertschema anzuwenden, denn dieses ist unhintergehbar und bei keiner Entscheidung ausschaltbar.

 

Aus der Zeitschrift “Information Philosophie” 4/2000, S. 113 f. In der Rubrik “Forschung-Trend-Kontroversen” darin die Unterrubrik “Ethik” der Artikel “Die Unhintergehbarkeit des subjektiven Wertschemas”, S. 110-114. Der Artikel bezieht sich auf Bernward Gesang:  “Universalismus auf partikulärer Grundlage?” in: Zeitschrift für philosphische Forschung, Heft 1/1998.