Das 1. Gebot

 

29.12.05

 

 

Das erste Gebot

 

Früher habe ich das erste Gebot immer für eine Marotte einer speziellen Religion gehalten, die keine Konkurrenz neben sich dulden will:

 

  • 2.Mose 20,2.3
    Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt hat.
    Du sollst nicht andere Götter haben neben mir.

Da ich mittlerweile die Gebote ernst nehme (außer diesem ersten, das mir immer obskur vorkam), fällt es mir jetzt wie Schuppen von den Augen.

 

Mein Thema ist die ‚Sexualreligion’. Sie kann dich total ergreifen, dein Gefühlsleben bis ins Tiefste durchdringen. Sie kann deinen Lebenssinn absorbieren. Sie bestimmt, was Glück für dich ist und was Unglück für dich ist. Was Erfüllung für dich ist und was Versagung bedeutet. Sie erzeugt vielfältige Musik. Vgl. dazu tausende Balladen der Rockmusik. Sie erzeugt Kleidung und Feste. Sie durchdringt die gesamte Gesellschaft. Sie ist eine Religion unserer Zeit. Sie hat das Christentum stark in die Ecke gedrängt, zumal es traditionellerweise betont sexualfeindlich ist und außerdem eine Zufluchtstätte für die reaktionären Spießer der Gesellschaft.

 

Sexualfeindlich ist nicht gleichbedeutend mit Gegnerschaft zu Sexualreligion. Jemand, der die Sexualreligion ablehnt, muß deshalb nicht sexualfeindlich sein (z.B. innerhalb einer Beziehung).

 

 

Wenn man das erste Gebot etwa so interpretiert:

 

Ich („Gott“) bin das Bild einer Hoffnung in der gesellschaftlichen (oder auch historischen) Realität, das dich innerlich freimacht und dich vor äußerer Knechtschaft (und unnötigem Leiden) bewahren soll. Dann hüte dich vor einem Bild falscher Hoffnung, das dich innerlich unfrei macht und dich in die äußere Knechtschaft (und in unnötiges Leiden) führen kann.

 

Diese Bilder guter und falscher Hoffnung müssen natürlich ausgemalt und begründet werden. Das leistet die Bibel meines Wissens nur sehr mangelhaft (jedenfalls kann ich mich an nix ernsthaftes diesbezüglich aus meinem Religionsunterricht errinnern). Erst in neuester Zeit, durch die Barbareien des modernen Totalitarismus und durch das kritische sozialwissenschaftliche Denken, ist solch eine genauere Klärung möglich – jedenfalls im allgemeinsten politischen Rahmen von Krieg und Humanismus. Aber eine Klärung beispielsweise  bezüglich der Sexualreligion steht noch aus. Vgl. dazu den Artikel im Reflexionsjournal „negative Logik der Sexualreligion“ mit Kommentar und Gegenkommentar.