Psychotherapie als Quacksalberei

05.09.08

 

Psychotherapie in ihrer modernen Hauptfunktion als ideologisch notwendige Quacksalberei

 

Ich habe vorhin einen 3-stündigen Anruf gehabt von einer Frau, die sich auf meine Philosophy-Homepage und darin auf meinen kritischen Artikel über Psychotherapie bezog. Das ist übrigens interessanterweise eine meiner Websites, die ziemlich stark frequentiert werden. Die Frau war eine Person mit einem sehr elaborierten Code – wie eine Professorin. Sie hatte in der Tat diverse Studien (in Politologie, Germanistik, Philosophie, Soziologie) hinter sich und war als Lehrerin tätig. Ich nehme an, sie  ist ungefähr so alt wie ich (Ende 60). Sie berichtete eine lange Geschichte von Irrationalitäten mit der Psychotherapie (ab den 90er Jahren) und deren Institutionen inklusive ärztlicher Schlichtungsstelle. Dazu noch Therapeutenkammer, Sozialministerium und schließlich Staatsanwaltschaft. Sie kannte sich auf dem Gebiet mittlerweile vorzüglich aus und war ähnlich kritisch wie ich selber – wiewohl sie früher einmal eine engagierte 'Gläubige' der Psychoanalyse war und jetzt ihre frühere Naivität diesbezüglich bereut. Sie war ziemlich stark in dem Thema involviert – offenbar, weil sie Michael Kohlhaasmäßig von allen Seiten immer mehr Unverständnis erfährt, je mehr sie gegen jenes diverse therapeutische Fehlverhalten, das sie erleben mußte, unternimmt. Sie wurde auf die verschiedenste üble Weise von allen möglichen Instanzen diskriminiert wg. ihres heftigen Engagements bzgl. dessen, was ihr alles im Rahmen von 3 Therapien und anschließender Kritik daran widerfahren ist. Gerade therapeutisch Gebildete sind ja überaus fähig an schlauen Konstruktionen von perfiden Diskriminierungen. Das konnte sie alles sehr genau schildern.

 

Das anschließende Nachdenken über diese lange, ausführliche, aber dennoch sehr klare und reflektierte Rede jener Frau, die mir an keinem Punkt irgendwie 'flippig' vorkam (bis vielleicht ihre monomane Beschäftigung mit dem Thema als Solchem), brachte mich auf ein ganz neues Paradigma.

 

Wie wär's, wenn man mal annehmen würde, daß die gesellschaftliche Hauptfunktion der Psychotherapie inkl. Psychiatrie gar nicht in der Heilung liegt (die tatsächliche Sorge um Hilfe wäre nur eine rudimentäre Alibifunktion, der sich einzelne ernsthafte Seelsorger tatsächlich widmen – ganz analog zu den wenigen wirklich ernsthaften Pfarrern der christlichen Kirchen), sondern in Wahrheit läge die Hauptfunktion primär in einer Blitzableiterfunktion für die sozial  induzierten individuellen Verstörungen, die sich in dem mittlerweile immer mehr ausufernden Ökonomismus-System immer vielfältiger ergeben. Diese Blitzableiterfunktion hätte für das Ökonomismus-System zwei Vorteile:

 

Erstens gibt es eine weitere Schicht (neben den üblichen Weißkittel-Ärzten) von gutverdienenden Psychotherapeuten. Eine neue Schicht von hohen Einkommensbeziehern, die sich das psychische Elend von Hilfesuchenden teuer bezahlen lassen. Freilich (oft genug) ohne  den Hilfesuchenden wirklich zu helfen, sondern  für manche 'Patienten' oder auch Außenstehenden, die mit jenen 'Patienten' zu tun haben,  sieht es so aus, als ob es manchen Therapeuten lediglich darum ginge, ihre 'Patienten' möglichst langjährig finanziell auszubeuten.

 

Zweitens hätten die Hilfesuchenden eine offiziöse Instanz, an die sie sich offiziell (z.B. mit Bezahlung der Krankenkasse) um Hilfe wenden können. Sie glauben deshalb zu Recht daran, daß ihnen hier tatsächlich geholfen wird.

 

Auf diese Weise ist das gesellschaftliche Grundthema der massenhaften individuellen Verstörungen durch den Ökonomismus neutralisiert. Und genau das wäre – nach jenem von mir hier entwickelten neuen (hypothetischen) Paradigma - die gesellschaftliche Haupt-Funktion moderner Psychotherapie inklusive Psychiatrie. Der (in irgendwelchen Punkten) Verstörte ist, gemäß dieses Paradigmas, jahrelang beschäftigt mit seiner 'Therapie' und wird entsprechend nicht gesellschaftskritisch, was seine realen Probleme angeht. Er ist somit (gesellschaftlich gesehen) 'ruhig' gestellt – hat sogar jemand, den er vergöttert, mit dem er (freilich gegen Bezahlung) stundenlang reden kann. Er sorgt weiterhin für einen Fluß sozialer und sonstiger privater Gelder in die Taschen von, leider oft genug, bourgeoisen Ausbeutern, die ja sicherlich besser wissen, wie man Geld anlegt, als irgend so ein Spinner. Je mehr andererseits jemand sich zum bourgeoisen Ausbeuter (als sog. 'Therapeut') gemausert hat, desto weniger dürfte er daran interessiert sein, die entscheidenden sozialen Probleme des Verstörten ernsthaft unter die Lupe zu nehmen, er ist ideologisch notwendigerweise schlicht blind dafür – jetzt mal ganz abgesehen von den reinen DeppInnen unter den TherapeutInnen, die sowieso nix ernsthaft kapieren: weder was Gesellschaftliches noch was Psychologisches und erst recht nix Philosophisches.

 

Für dieses hier von mir dargestellte Paradigma sprechen auch noch folgende Indizien:

 

  • Das nicht ausrottbare Dogma von der individuellen psychischen Krankheit im Falle von Verstörung eines Individuums. Es wird somit von vornherein die meiner Ansicht nach entscheidende Thematik ausgeschlossen, daß verschiedene Sozialfaktoren jene Verstörung induzierten. Wenn z.B. ein Schüler ständig zu spät in die Schule kommt: so ist ist das nach  üblicher Sichtweise eine (individualpsychische) Verhaltensgestörtheit. Aber eine andere, soziologisch-kritisch-pädagogische Sichtweise besagt: Aller Wahrscheinlichkeit nach ist für jenes Verstörtheits-Problem die Zwangs-Schule selber der entscheidende Sozialfaktor – neben einigen anderen, sozusagen nebensächlichen Sozialfaktoren. (Schulen sind lt. Comenius , die „Schlachthäuser des Geistes“ –; vgl. auch „Bilder der Entschulung. Texte von Eltern, Kindern und Lehrern und Fotos von Abisag Tüllmann der Freien Schule Frankfurt“, päd.extra buchverlag, Ffm 1977, speziell S. 112 f.)
  • Die Tatsache, daß nur Psychologen oder Mediziner offiziell für Psycho-Therapie zuständig sein dürfen. Soziologen sind ausgeschlossen, obwohl sie meines Ermessens (wenn sie ihr Fach ernst nehmen) an und für sich  mindestens genauso zuständig sein dürften. Auch praktische Philosophen dürften auf der Meta-Ebene und der Argumentationsebene, sofern sie Philosophie nicht als Freiheit des Herumspinnens ansehen, ein gewichtiges Wort mitzureden haben.
  • Die grauenhafte Restriktion und Reglementierung des deutschen akademischen Psychologie-Studiums seit 1970 auf Statistik und Behaviourismus.
  • Der erstaunlich hohe Prozentsatz der DeppInnen unter den PsychologInnen und PsychotherapeutInnen unter der Gesamt-Menge der Zertifizierten. (Im österreichischen Sinn gemeint: „Dös san Deepn!“)
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