Fanatismus

17,07,12

Fanatismus

Man fragt sich, woher kommt  Fanatismus? z.B. beim Hass auf die Juden im 3.Reich. Oder beim Hass gegen die Adligen während der französischen Revolution? Oder beim Hass auf die Kulaken im bolschewistischen Russland? Oder beim Hass von einer Religionsvariante auf die andere (etwa Schiiten vs. Sunniten heutzutage im Nahen Osten)? Protestanten vs. Katholiken im 30-jährigen Krieg? Beim Hass der unterschiedlichen Nationalitäten auf dem Balkan? Usw. usw., Fanatismus ohne Ende: man schaue sich beliebige ‚Bürgerkriege’ an!

Ich denke, rein politisch-soziologisch lässt sich das nicht erklären. Vielleicht gibt es diesbezügliche ‚äußere Gründe‘ (z.B. laut Tocqueville die parasitäre Rolle des Adels im Absolutismus). Und natürlich immer auch Anlässe, wo z.B. irgendwelche ‚Volkstribunen‘ oder Propagandisten die Massen aufhetzen gegen andere Menschengruppen. Aber ich glaube, die äußeren Gründe sind eher Vorwände. Denn gerade der Fanatismus zeichnet sich durch ein Höchstmaß von Abwesenheit ernsthafter rationaler Argumentation oder rationaler Rechtfertigung aus. Da wird unmäßig haltlos rumgesponnen ohne aufrichtige geistige Kontrolle – d.h. ohne Versuch einer strapazierfähigen Beweisführung. (Z.B. dass die Juden den 1. Weltkrieg angezettelt hätten; außerdem noch mit ganz bestimmten bösartigen Zielen, nämlich die europäische Bevölkerung zu versklaven).  – Da wird einfach unkontrolliert massenhaft dem Hass gefrönt!

Das führt mich dazu, zu behaupten, dass es eine entscheidende psychologische Quelle des Fanatismus gibt:

Die eigene moralische Unreinheit. Sie drängt dazu, andere auszumachen, die (angeblich) moralisch befleckt sind, also ‚Unreine‘, ‚Ungläubige‘, ‚Abtrünnige‘, um diese sodann (selbstverständlich weitestgehend fälschlich) zu beschuldigen, zu bekämpfen und sie schließlich möglichst zu bestrafen. – Diese Haltung dient dazu, sich selber zu ‚reinigen‘. Es ist ein Nullsummenspiel:  je sündiger (angeblich) die Anderen sind, desto reiner stehe ich selber da! Meine eigene moralische Unreinheit existiert immer weniger, je mehr mir das offenbar wird und je mehr ich die Anderen bekämpfe.  Ich bin fortan im auserwählten Lichte! (Es handelt sich um die Projektion des eigenen Schattens auf andere, um einen interessanten Begriff von C.G. Jung zu verwenden). Man findet dieses Muster bei der Inquisition und der Hexenverfolgung, beim Nationalismus, beim originalen Rassismus von kolonialistisch-imperialen Herrenmenschen, beim nationalsozialistischen Antisemitismus der 20er und 30er Jahre in Deutschland, beim Religions- und Polit-Extremismus. Und wo nicht überall sonst – auch im kleinen Bereich, etwa beim Erbschaftsstreit innerhalb der Familie oder beim Ehestreit.

Bis heutzutage ist der Fanatismus eine nachhaltige Gefahr, selbst im aufgeklärten Europa, auch in Deutschland, z.B. bei jenen, die glauben, sie seien die rechtmäßigen Hüter der Demokratie, trillerpfeifend und empört gegen eine neue, ihnen offenbar höchst unpassend erscheinende, dennoch legale politische Partei: die AfD. -  Aber natürlich auch bei den radikalen Islamisten und ihren Followern.

Wer weiß, ob jemals die Gefahr des Fanatismus gebannt werden kann! Dazu müsste die Erbsünde endlich beseitigt werden. Nach meinem Dafürhalten ist das einzig möglich durch eine wahrhaftige antiautoritäre Erziehung anmutiger Kinder als erste Stufe. Wozu allerdings noch etliche entsprechende Stufen folgen müssten.