Endlosschleifen als psychische Defekte

Manfred Aulbach, 06.10.10

Endlosschleifen als psychische Defekte

 

Ich habe hier ein höchst interessantes Zitat aus einer der netten Kurzgeschichten der c't (11/2010, S. 214-216) gefunden. Die story heißt "A little Bot of Krieg" von Nadine Boos. - Jetzt das Zitat, die Pointe der Geschichte, S.215f.:

<Bot, der ein sauber durchprogrammierter Pfleger war, rief die Leon-Datei auf [Leon ist ein echter Mensch, aber leider ein Irrer]. [...] Bot wurde klar, dass er einen Defekt hatte und in einer Endlosschleife hing, die er nicht selbst beenden konnte. Ihm wurde ebenso deutlich, dass es Leon ebenso ging und er lächelte. Es gefiel ihm, einen Menschen zu verstehen.>

Das mit der Endlosschleife finde ich höchst interessant, vor allem auch den Satz: "die er nicht selbst beenden konnte".
Meiner Ansicht nach eben dadurch, daß man sich kritikimmun macht (übrigens eine typische Formulierung des ‚Kritischen Rationalismus’, speziell von Hans Albert).

 

Wenn man die Sache operationalisiert, kann man evtl. die Angelegenheit umkehren: immer, oder zumindest häufig, wo vehemente Kritikimmunität herrscht, ist eine solche ‚Endlosschleife’ (sozusagen eine ‘Verrücktheit’) im Spiel.

 

Jetzt müßten allerdings Beispiele her.

 

1. Nehmen wir als erstes das Oblomov-Syndrom. Jemand hat keine Motivation außer eine eng begrenzte seines persönlichen Narzißmus. Er hat weder allgemeineres Interesse an Leistung noch an Erkundung der Welt. – Was wäre hier die Endlosschleife?

 

  • Er vergräbt sich in seine künstlich verdüsterte Wohnung, die sich mit Staub immer mehr zusetzt.
  • Er vergrault alle möglichen menschlichen Kontakte um sich herum, die ihn zur Eigen-Aktivität aufordern würden.
  • Er will nicht wahrhaben, daß ihn mit seiner Motivationslosigkeit niemand haben will, wenn er sich zu einer Arbeit bewirbt.
  • Er hält sich trotz allem für einen normalen Menschen mit normalen Berufsaussichten.
  • Er hält so weit wie möglich an seiner motivationslosen Weltsicht fest – ad infinitum.

Das geht solange weiter, wie (der noch junge) Oblomov von irgendwoher (z.B. Eltern) genug Geld bekommt, um sein parasitäres Leben zu fristen. Insofern bewegt er sich in einer Endlosschleife seiner parasitären Existenz. Auch will Oblomov keine Kritik erfahren, indem man ihn als ‚Oblomov’ demaskiert. Das findet er fürchterlich beleidigend (daß er „so ein Russe“ sei) - und kapiert (erst mal) natürlich gar nix.

 

2. Nehmen wir das Syndrom, ‚auf schöne Weiber abfahren’.

 

  • Ein Mann sieht seine Glückserfüllung darin, mit schönen Weibern zu pennen.
  • Speziell auch mit einer, die ihm die ‚Große Liebe’ bedeutet.
  • Nun pennt nicht nur Er mit anderen Weibern, sondern es pennt die Große Liebe auch mit anderen Männern – oder zeigt zumindest Interesse.
  • Der Mann wird eifersüchtig und meint, das Problem läge an jener speziellen Frau.
  • Auch bei der nächsten Beziehung ergibt sich prinzipiell die Eifersucht. Ad infinitum.

Die Kritik, daß es an seinen falschen Glücksvorstellungen liegt, wird der Betreffende natürlich strikt von sich weisen oder gar nicht erst kapieren.

 

3. Das Größenwahn-Syndrom.

 

  • Jemand bildet sich ein, ein besonders bedeutendes Genie zu sein, wiewohl er ziemlich wenig Ahnung hat und keineswegs objektiv kreativ ist auf dem Gebiet.
  • Er versucht Kontakte mit bedeutenden Persönlichkeiten herzustellen, um sich innerlich und äußerlich zu brüsten, damit er seinen Größenwahn ‚bestätigen’ kann.
  • Er versucht, sich eine Gefolgschaft zu verschaffen, die an ihn glaubt. Die Intersubjektivität als solche soll als Objektivitätskriterium herhalten.
  • Er bildet ein Gespinst von Ideologemen um seinen Größenwahn herum, um diesen aufrechtzuerhalten und Kritik abzuwehren – ad infinitum.

Die Kritik an der Irrealität der Vorstellungen des Größenwahnsinnigen wird von ihm ignoriert bzw. denunziert. Der Kritiker wird beleidigt und/oder mißachtet (im politischen Fall verfolgt).

 

4. Das Verwöhnungs-Syndrom.

 

  • Die Eltern verwöhnen 1 Kind. D.h. es werden keine definitiven Grenzen gesetzt und das Kind weiß eigentlich nicht, wo es dran ist.
  • Die Eltern wollen ihre Ruhe haben und das Kind tanzt ihnen (und anderen) aber auf dem Kopf herum.
  • Nach einem (heftigen) Streit mit dem Kind, geben die Eltern nach und lassen das Kind wiederum gewähren.
  • Das Kind sieht, daß es Erfolg hat und überschreitet bei nächster Gelegenheit die nächsten Grenzen. Es entsteht ein Hexenkessel der Streitereien.
  • Das Ganze ad infinitum.

Da die Eltern hier der maßgebliche Faktor sind, müßten sie sich um Aufklärung des Problems kümmern. Da jedoch bei solchen Eltern in der Regel kein Interesse an Objektivität besteht, beispielsweise mit Hilfe maßgeblicher Erziehungsliteratur, ist hier kaum Kritik möglich und/oder gewünscht. Es sei denn vielleicht heutzutage durch  Institutionen von Außen (Kindergarten, Schule, Jugendamt).

Siehe zu dem Thema auch: “Ein spezieller Narzissmus”