2016

Zitate aus dem deutschen Nachrichtenmagazin “DER SPIEGEL”

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<Einen Hinweis, wie er die Auswirkungen der gegenwärtigen Flüchtlingssituation beurteilen würde, hat er uns bereits vor gut einem Jahrzehnt gegeben: Da wies er die Vorstellung, die zurückgehenden Geburtenzahlen in Deutschland ließen sich durch Einwanderung ausgleichen, wegen der zu erwartenden Integrationsprobleme vehement zurück.>

[DER SPIEGEL 47/2015, S.20. Artikel: “Der Jahrhundertmann” - (über den verstorbenen Altkanzler Helmut Schmidt)]

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<Voßkuhle: [...] In Deutschland war es zum Beispiel bis vor einigen Jahren sehr schwierig, über zentrale Probleme der europäischen Institutionenordnung zu sprechen, ohne als Antieuropäer wahrgenommen zu werden. Diejenigen, die dieses Klima geschaffen haben, handelten sicherlich aus besten Absichten, sie haben aber in der Rückschau mitunter eher zur Verschleppung und Verdeckung von Problemen beigetragen. Was wir brauchen, ist eine Kultur der Kritik, der Beobachtung und der Reflexion.>

[DER SPIEGEL 47/2015, S.39. SPIEGEL-Gespräch mit Andreas Voßkuhle, Präsident des Verfassungsgerichts]

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< ”Judenhass passt nicht ins Weltbild” sagt Yael M”. Viele Lehrer hingen romantischen Vorstellungen einer Multikultigesellschaft nach, wollten Konflikte nicht wahrhaben und austragen. Diese Erfahrung hat auch die jüdische Berliner Lehrerin Hannah Kushnir gemacht. Als sie sich bei ihrer Schulleitung über die antisemitischen Ausfälle der muslimischen Schüler beklagte, bekam sie zur Antwort: “Nun seien Sie mal nicht so empfindlich.” >

[DER SPIEGEL 47/2015, S.49. Artikel: “Der Krieg im Klassenzimmer” - (neuerer Antisemitismus)]

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<Elkington ließ nachrechnen, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen den Mondphasen und dem Kaufverhalten des Menschen. Er kam auf diese Idee, weil sein Schwiegervater, ein Internist, erzählt hatte, dass die Notaufnahmen von Krankenhäusern bei Vollmond immer besonders überlaufen seien. Elkington verschmolz also massenhaft verfügbare Daten über die Umlaufbahn des Mondes mit seinen massenhaft vorhandenen Verkaufsdaten, das Ergebnis: In Neumondphasen liegen die Umsätze im Einzelhandel im Durchschnitt um 43 Prozent höher als bei Vollmond.>

[DER SPIEGEL 47/2015, S.61. Artikel “Kopf oder Zahl” - Big Data]

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<Fratzscher: [...] aber es gibt auch einen Nachfrageeffekt. Die Zahlungen, die wir an Flüchtlinge leisten, kommen ja irgendjemandem zugute und erhöhen die wirtschaftliche Aktivität.>

[DER SPIEGEL 47/2015, S.71. “Ihre Botschaft ist fatal”. SPIEGEL-STREITGESPRÄCH zwischen den Ökonomen Marcel Fratzscher und Daniel Stelter.]

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<Bei Realpolitik geht es um Macht und Ohnmacht. Es geht darum zu erkennen, wann man mit welchen Mitteln etwas erreichen kann und wann es klüger sein kann, sich die eigene Ohnmacht einzugestehen. Realpolitik ist illusionslos, bitter, manchmal brutal.>

[DER SPIEGEL 8/2015, S.27. Artikel “Die längste Nacht” - (über Ukraine-Verhandlungen)]

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<Ähnlich argumentiert der Bundesrechnungshof, der im Sommer 2014 ein vernichtendes Gutachten zu OPP-Modellen für den Bundestag verfasste. [OPP = Öffentlich-Private Partnerschaften]. Die Prüfer kommen zu dem Schluss, dass die bisherigen Projekte deutlich teurer seien als die herkömmlichen Vergaben. Für Holger Mühlenkamp [BWL-Professor, Speyer] steht fest: “Da ist eine große Koalition aus Politik, Industrie und Bankenwirtschaft auf Kosten des Steuerzahlers am Werk.”>

[DER SPIEGEL 8/2015, S.44. Artikel “Offene Rechnung” - Autobahnen privat finanzieren]

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<Erstaunlicherweise gibt es kaum eine seriöse Studie, die belegen könnte, dass ein moderat erhöhter Body-Mass-Index gefährlich für die Gesundheit ist. Im Gegenteil: Leichtes bis mittleres Übergewicht könnte gesund sein. Für ältere Menschen hält die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin einen BMI von mehr als 25 sogar für “wünschenswert” und rät dazu, sich ab einem Alter von 65 Jahren ein “Murmeltierpolster” zuzulegen. Erst ab einem BMI von 29 steige bei ihnen das Gesundheitsrisiko an.>

[DER SPIEGEL 4/2015, S. 35. “Das große Fasten” - gestörtes Verhältnis zum Essen]

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<Schon am Tag nach den Morden von Paris meldete sich der auch in Deutschland bekannte österreichische Hassprediger Mohamed Mahmoud aus dem Untergrund zu Wort und rief die “Löwen des Islam” zum Handeln auf. Die “Brüder in Deutschland”, schrieb er via Twitter, sollten die Ungläubigen in “einer vollen Einkaufsstraße” überfahren oder sie “herumschleichend abschlachten”.>

[DER SPIEGEL 4/2015, S. 87. “An Tagen wie diesen” - (über Dschihadisten)]

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<Über ein Jahrhundert lang waren die Print-Medien für ihre Leser ein Abbild der Welt. In der Welt geschah, was in der Zeitung stand. Das Internet hat den Blick frei gemacht auf das, was nicht in der Zeitung steht.>

[DER SPIEGEL 10/2015, S. 84. “Knast, wenn du lügst!” - über Presse und Digitalisierung der Medien]

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<Houellebecq: Ich stelle die Linke in Frankreich vor einen fundamentalen Widerspruch: Aus Angst vor Islamophobie und Rassismus - obwohl das wirklich nicht dasselbe ist - lässt sie den Muslimen ihre antiliberalen Prinzipien durchgehen. Die Gleichstellung der Frau, die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe - das ist für die Muslime in Frankreich schwer erträglich, für die Linke aber wesentlich.

Spiegel: Im Roman geben die Sozialisten ihren Laizismus auf, um sich nicht dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen. [...]

Houellebecq: Ha, das hat den Linken an meinem Roman gewaltig mißfallen. Ich suche nicht die Provokation, ich mache meine Arbeit: Widersprüche aufdecken, Schwachstellen in der Gesellschaft finden, den Finger auf die Wunde legen und kräftig zudrücken. Die Idee des Rassismus terrorisiert die Linke so, dass sie den Muslimen alles erlaubt, fast alles.>

[DER SPIEGEL 10/2015, S. 132. “Ich weiß nichts” - Michel Houllebecqs Roman “Unterwerfung”]

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<Seit etwa fünf Jahren, sagt der Philosoph [Metzinger, Mainz], könnten ihm die Studenten in seinen Vorlesungen kaum länger als 20 Minuten am Stück folgen. Spätestens dann müsse er “für Bespaßung sorgen”, kurze Videos zeigen, eine Diskussion anzetteln. “Sonst driften sie ab oder gehen komplett in ihrem Facebook-Account verloren.”>

[DER SPIEGEL 11/2015, S. 109. Artikel: Dranbleiben, bitte! - (Probleme der Konzentration des Geistes)]

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<Heckmann [Nobelpreisträger, WiWi] glaubt, dass für ein glückliches, erfolgreiches Leben nicht nur Intelligenz und Wissen wichtig sind, sondern vielmehr die Fähigkeit, auch nach Niederlagen weiterzumachen. Heckmann sagt: “Was im Leben zählt, ist Dranbleiben.”>

[DER SPIEGEL 11/2015, S. 110. Artikel: Dranbleiben, bitte! - (Probleme der Konzentration des Geistes)]

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<Kompliment an Jochen-Martin Gutsch, dass er den Medienhype um den 9. November 1989 hinterfragt. Wer hat denn eigentlich heute noch den Mut, das Leben in der DDR so zu beschreiben, wie es im Alltag gelebt wurde? Was für ein Quatsch wird der nächsten Generation da vermittelt. Neben den ach so mutigen Exbürgerrechtlern werden ja am liebsten nur noch Menschen zitiert, die ausreisen wollten oder dabei gescheitert sind. So tragisch das für jeden Einzelnen gewesen sein wird, es beschreibt aber nicht das Leben in der DDR, sondern extreme Situationen.>

[DER SPIEGEL 47/2014, S. 10. Leserbrief von Monika Manhart, Mühlenbeck (Brandenb.). Bezugnehmend auf den SPIEGEL-Artikel “Eine Reise durch den Irrsinn deutscher Erinnerungskultur”, Nr. 45/2014]

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<Ein internationaler Verbund von Journalisten hatte zuvor aufgedeckt, auf welche Weise Staaten wie Luxemburg Konzerne anlocken und wie unglaublich niedrig die Steuersätze sind, die sie anbieten.

Es gibt Großunternehmen, die zahlen ein Prozent. Ein deutscher Durchschnittsverdiener mit der Steuerklasse 1 und einem zu versteuernden Einkommen von 40 000 Euro würde bei diesem Satz jährlich 400 Euro zahlen. Tatsächlich sind es 8940 Euro. Bei einem Satz von 0,1 Prozent, den manche Unternehmen für sich herausschlagen konnten, wären es 40 Euro im Jahr. Klingt herrlich. Ist aber für einen Arbeitnehmer unerreichbar.>

[DER SPIEGEL 47/2014, S. 24. “Ihr seid die Nächsten” - (über Steuerparadies Luxemburg und Jean-Claude Juncker, Eu-Kommissionschef)]

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<Im Unterschied zur Mehrheit seiner Landsleute war der Rostocker Pfarrer Gauck 1989 im Besitz zweier Reisepässe, er war zwischen 1987 und 1989 elfmal im Westen. Es scheint so, als hole er heute ein wenig von dem Widerstand gegen die SED nach, den er damals nicht geleistet hat.>

[DER SPIEGEL 47/2014, S. 30. Essay: “Die Macht der Vergangenheit” - (über die Beteiligung früherer SED-Genossen an der Demokratie nach 1990)]

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<Er [Denis Cuspert=Rapper Deso Dogg=Abu Talha al Almani] nennt sich jetzt “Euer treuer Staatsfeind Nr. 1” und verkündet: “Ich bin ein Muslim, ich bin gegen Demokratie, ich bin gegen Integration, ich bin für die Scharia.”>

[DER SPIEGEL 47/2014, S. 63. Bruder, Kämpfer, Dschihadist - Jungs aus Deutschland kämpfen im IS]

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<”Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel” sagt Thorrold [ein US-Meeresbiologe]. Nur wenig ist der Wissenschaft bisher bekannt über jenen gewaltigen Wasserkörper, der unterhalb der lichtdurchfluteten Oberflächenschicht der Meere liegt. Doch die Indizien mehren sich, dass er prallvoll von Kreaturen ist. Vermutlich tummelt sich dort sogar weit mehr tierisches Leben als in allen anderen Ökosystemen des Planeten zusammengenommen.

“Midwater” nennen die Wissenschaftler diesen Bereich der Ozeane. [...]

Während die meisten Tiefsee-Expeditionen das Midwater so schnell wie möglich zu durchqueren suchen, um ihre Forschungsmission am Meeresgrund zu erfüllen, lässt sich Robison [ein US-Meeresbiologe] in einer gläsernen Druckkapsel auf bis zu tausend Meter absinken, um die geheimnisvolle Welt zu studieren, die ihn dort umgibt.

Manchmal schaltet er dann die Scheinwerfer aus und klebt jedes noch so kleine Lämpchen seiner Apparate ab. “Nach vielleicht zehn Minuten haben sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt”, erzählt er. “Und dann beginnt eine ungeheuerliche Show.”

Überall um ihn herum sieht er es dann flimmern, flackern und blinken. Meist blitzt es blau, manchmal grün, selten gelb, niemals rot - fast alle Tiefseebewohner sind blind für Rot, denn die Wassersäule verschluckt zuerst den roten Anteil im Sonnenlicht. Deshalb kann Robison die Tiefe mit Scheinwerfern dieser Farbe durchleuchten, ohne die lichtempfindlichen Wesen zu verschrecken.

Und welch ein Spektakel bietet sich ihm da: Psychedelisch anmutende Gespensterfische starren mit kuppelförmigen Riesenlinsen aufwärts, die tief unter einer durchsichtigen Stirn verborgen sind. Schlanke Barrakudinas stehen, die Schnauze senkrecht nach oben gerichtet, reglos auf der Lauer. Und bis zu 40 Meter lange Staatsquallen lassen sich durchs Wasser treiben, begleitet von einer ganzen Schar Fische, die in ihren giftigen Fäden Schutz vor Räubern suchen.>

[DER SPIEGEL 47/2014, S. 110-111. Sturzflug ins Schattenreich - (über neuere Tiefseeforschung)]

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<Gorbatschow: Hätte Amerika ohne Moskau, ohne uns diese gewaltigen Veränderungen erreichen können? Nein! Wir haben damals gezeigt, was zusammen möglich ist: Wir haben regionale Konflikte gelöst, die deutsche Wiedervereinigung erreicht, den Abzug der sowjetischen Truppen aus Osteuropa, die atomare Abrüstung. Dann hat Amerika leider angefangen, ein Weltreich zu errichten, ein Mega-Imperium.>

[DER SPIEGEL 3/2015, S. 99. “Alles kann uns um die Ohren fliegen” - SPIEGEL-Gespräch mit Michael Gorbatschow]

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<Der Stadtteil Brabrand in Aarhus wird von einer Durchgangsstraße, dem Silkeborgvej, halbiert, es gibt die bürgerliche Seite und den Slum. Saadis Moschee in der gefährlichen Hälfte, einer Parallelwelt: 23 Betonschachteln, die auf einer schlammigen Wiese stehen. Hier leben ein paar Tausend Menschen auf engstem Raum, es sollen mehr als 80 Nationalitäten sein, Palästinenser, Libanesen, Syrer, Sudanesen, Jemeniten, Somalier, Algerier und Nigerianer; nur Dänen sieht man kaum.

Wer hier aufwachse, sagt Moscheevorsteher Saadi, und noch dazu das Pech habe, dunkelhaarig zu sein und Ahmed zu heißen, der erlebe, sobald er das Terrain verläßt, eine diskrete Form der Diskriminierung. Man werde zwar nicht verfolgt, aber auch nicht besonders gemocht. Man werde nicht von Dänen eingeladen, nicht von ihnen angesprochen. “Die Grenzen sind unsichtbar, aber spürbar.”>

[DER SPIEGEL 9/2015, S. 99/100. Die Späher von Aarhus - (Dänemark sucht Antworten auf die Probleme der Integration)]

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<In Basel verurteilte 1474 der Magistrat einen Hahn “für das abscheuliche und unnatürliche Verbrechen, ein Ei gelegt zu haben”. Das Federvieh endete auf dem Scheiterhaufen.

Aus dem Jahr 1750 stammt der Fall einer Eselstute, die zusammen mit einem Mann der Sodomie bezichtigt und zum Tode verurteilt wurde. Im Verfahren kam das Tier (anders als der Mann) frei. Ein Gemeindevorstand und ein Priester hatten versichert, dass sie “den Esel vier Jahre lang kennen” und er “immer tugendhaft und brav” gewesen sei.

Berühmt ist auch der Fall der Ratten aus der Provinz Autun, die “mutwillig die Gerstenernte” zerstört hatten. 1522 wurden sie vor Gericht geladen, erschienen jedoch nicht. Ihr Verteidiger entschuldigte die Ratten mit dem Hinweis, die Anreise sei zu riskant - aufgrund der Wachsamkeit ihrer “tödlichen Feinde, der Katzen”.

Die Liste läßt sich fortsetzen: Spatzen, die fürs Zwitschern in der Kirche verurteilt wurden; ein Schwein, das am Galgen endete, weil es eine Hostie gefressen hatte.

Besonders skurril wirken die Prozesse gegen Ackerschädlinge. Die Plagegeister wurden mangels anderer Handhabe oftmals schlicht des Ortes verwiesen. Entsprechende Urteile verkündete der Gerichtsdiener den Tieren direkt auf den befallenen Äckern. Blieben die Schädlinge dennoch, kam es zu exemplarischen Hinrichtungen einiger Individuen, zum Bannfluch und zum Versprenkeln von Weihwasser.>

[DER SPIEGEL 9/2015, S. 122. Kriminelle Käfer - (mittelalterliche Prozesse gegen Tiere)]

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<Das Land [USA] hat mit 2,4 Millionen Inhaftierten die größte Gefängnispopulation der Welt (zum Vergleich: In Deutschland sind ca. 57 000 Menschen in Haft, einer von 1400. In den USA - fast einer von 100). Es sind vor allem Drogendelikte für die, infolge des inzwischen als gescheitert geltenden Regierungsprogramms “War on Drugs”, viel zu harte Strafen ausgesprochen werden. Seit das Programm Anfang der Achtzigerjahre von Ronald Reagan verschärft wurde, hat sich in den USA die Gefängnispopulation verachtfacht.>

[DER SPIEGEL 9/2015, S. 129. Wenn Frauen Männer werden - (über eine Netflix-Serie, bei der eine weiße Frau ins Gefängnis kommt]

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<Zweimal sprachen ihn Gerichte vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei - aus Mangel an Beweisen. Heute gilt es als erwiesen, dass der notorische Waffennarr nicht in “Notwehr” feuerte, wie er behauptete, sondern Ohnesorg [1967 beim Schahbesuch in Berlin] offenbar unbedrängt und aus kurzer Distanz (SPIEGEL 4/2012) in den Kopf schoss. Nach den Prozessen wurde es still um Kurras - bis 2009 herauskam, dass der zackige Westberliner Kripomann für die Stasi gearbeitet hatte. Als Informant “Otto Bohl” verriet er Polizeiinterna an seine Führungsoffiziere im Osten. Spekulationen, wonach er 1967 im Auftrag der DDR geschossen haben könnte, haben sich nicht erhärtet. Allerdings ermittelte die Bundesanwaltschaft bis zuletzt gegen Kurras.>

[DER SPIEGEL 9/2015, S. 143. Karl-Heinz Kurras, 87 - (anläßlich seines Todes)]

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Spiegel: Warum tun sich islamische Gesellschaften so schwer mit Menschenrechten und Demokratie?

Winkler: Charles de Montesquieu hat als erster westlicher Denker auf die großen Schwierigkeiten islamischer Gesellschaften hingewiesen, den Gedanken der Gewaltenteilung in die Praxis umzusetzen. Er erinnerte an die spezifisch christliche Unterscheidung zwischen göttlichen und irdischen Gesetzen, für die er so im Islam keine Entsprechung fand. Das ist in der Tat die entscheidende Frage, um die sich alle innenpolitischen und ideologischen Auseinandersetzungen in islamischen Gesellschaften drehen. Solange Menschenrechte nur nach Maßgabe der Scharia gelten, ist eine pluralistische, zivilgesellschaftliche Entwicklung unmöglich.>

[DER SPIEGEL 1/2015, S. 29. “Ein neuer Sonderweg” - SPIEGEL-Gespräch mit Historiker August Winkler]

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<Der Staat bröckelt, verschenkt aber weiter munter Milliarden: Der Verzicht auf die Energie- und die Mehrwertsteuer für Luftverkehrsunternehmen kostet uns Steuerzahler etwa 10 Milliarden Euro. Jährlich! Während die Bahn und Pkw-Nutzer für ihre Bahnhöfe und Straßen zahlen, übernimmt der Steuerzahler die Kosten für den neuen Flughafen BER: etwa sechs Milliarden. Warum sorgen die Politiker nicht endlich dafür, dass die Luftverkehrswirtschaft ihre Kosten selbst trägt?>

[DER SPIEGEL 38/2014, S. 10. Leserbrief von Dr. Matthias Kießling, Berlin - (bezugnehmend auf Nr. 37/2014 Der Bröckelstaat - Wie wir Zukunft und Wohlstand verspielen)]

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<Cem Özdemir sitzt in seinem Berliner Büro, trägt Anzug und Krawatte, er sieht sehr koalitionsfähig aus. Wenn man mit dem Parteichef [der Grünen] über Freiheit spricht, dann landet man ziemlich schnell bei “früheren FDP-Wählern”, die man “natürlich gern” mitnimmt, und beim “Mittelstand, der abgeholt werden will”. Seine Partei sei da die richtige. Für Özdemir geht es bei der Freiheitsdebatte auch um Wählerstimmen und um die Fähigkeit zum Anschluss an die Unionsparteien.”>

[DER SPIEGEL 38/2014, S. 30. Letzte Wahrheiten - Die Grünen wollen weg vom Image der Verbotspartei und sich als Liberale neu erfinden]

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<Und erst als 17 Jahre ins Land gegangen waren, als wenigstens 1400 Kinder, junge Mädchen, unfertige Menschen, arglos Pubertierende missbraucht, vergewaltigt, vernichtet waren, sollte ein Bericht das kollektive Schweigen und Nicht-wissen-Wollen beenden: “Unabhängige Untersuchung der sexuellen Ausbeutung von Kindern in Rotherham” lautet sein Titel. 153 Seiten, 57 000 Wörter, 1400 Absätze, die akkurat einen selten tiefen Abgrund beschreiben und zugleich das komplette Versagen einer sich für aufgeklärt haltenden Gesellschaft. [...] Alle wurden schuldig, nachweislich, von 1997 bis heute. Die Polizei, das Jugendamt, der Stadtrat, die Kinderheime, die Schulen, die Kirchen, die Bürger.

[...]

Das Leugnen und Lügen geht weiter in Rotherham. Fällige Fragen werden nicht gestellt: Wie konnte es geschehen? Wieso wurden alle Warnzeichen übersehen? Wie konnten die Behörden ihre Pflichten derart mißachten? Wie tief hat die Politik geschlafen? Das sind die einfachen Fragen.

Die schwierigen lauten - und sie betreffen nicht nur England, sondern ganz Europa: Wie fern stehen viele Einwanderer und deren Kinder den Werten der westlichen Gesellschaften? Wie misslungen sind die Bemühungen um eine “Integration” asiatischer, arabischer Jugendlicher? Wie vermittelt man jungen muslimischen Männern, dass Frauen gleichberechtigte Menschen sind? Dass ein kurzer Rock und Lippenstift und Nagellack aus einem Mädchen keine Hure machen? Und: Kann es sein, dass der Geist der “political correctness” in Rotherham am Ende dazu führte, dass Verbrecher nicht verfolgt wurden?>

[DER SPIEGEL 38/2014, S. 53. Stadt ohne Gewissen - Im englischen Rotherham wurden 1400 Kinder über Jahre gequält, misshandelt, vergewaltigt. Es gab eine Vielzahl von Hinweisen auf die Täter, britische Pakistaner. Aber niemand unternahm etwas. Nicht die Polizei, nicht die Behörden, nicht die Gesellschaft. Warum?]

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<Der atemberaubende Auftrag geht aus einer Treasure-Map-Präsentation hervor, die sich in den Unterlagen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden findet und die der SPIEGEL einsehen konnte. Darin werden die Analysten angewiesen: “Kartografiert das komplette Internet - jedes Gerät, überall, jederzeit.”

Mit Treasure Map lasse sich eine “interaktive Karte des globalen Internets” herstellen, in “nahezu Echtzeit”, heißt es darin weiter.  [...] Man kann es sich als eine Art Google Earth des globalen Datenverkehrs vorstellen, eine Luftaufnahme der digitalen Lebensadern des Planeten.

Neben der aktuellen Lagebeobachtung in den eigenen Netzen und jenen der “Gegner” geht es bei Treasure Map um die “Planung von Computerattacken und Spionageaktionen”. Das Programm liefert damit so etwas wie die Generalstabskarte für den Cyberwar.>

[DER SPIEGEL 38/2014, S. 78. Im Zeichen des Totenkopfs - (das gesamte Internet soll ausspioniert und kartografiert werden)]

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< “Noch mehr kannst du mit Beimischungen verdienen” sagt Olivenbauer Verniani, “in denen kein Tropfen von einer Olive stammt.” Davon muß es viele geben.

Die italienische Ernte mitsamt dem Import [z.B. aus Spanien, Griechenland, Tunesien] reicht selbst in normalen Jahren [vor dem massenhaften Befall durch die Olivenfruchtfliege] nicht aus, um auch nur die heimische Olivenölnachfrage (etwa eine Million Tonnen) zu decken. Geschweige denn, über die Hälfte davon auch noch zu exportieren. Des Rätsels Lösung liefern Soja-, Raps- und andere Pflanzenöle, die mit Karotin oder Chlorophyl eingefärbt und mit halbwegs echtem Olivenöl verschnitten werden. Die Menge dieser Designer-Öle wird in diesem Jahr wohl noch einmal ernorm wachsen.

Und dann gibt es ja auch noch hydrierte oder teilhydrierte Pflanzenöle, etwa aus Brasilien, die unter großer Hitze chemisch umgewandelt werden. Sie sind lange haltbar und spottbillig, wenn auch manchmal gesundheitlich nicht ganz unbedenklich.

Bis zu 20 Prozent davon darf einfaches italienisches Olivenöl enthalten - und das ganz legal.>

[DER SPIEGEL 48/2014, S. 82.  Gepanschtes Gold. Italienisches Olivenöl wird knapp - schlecht für Verbraucher, gut für Betrüger. Und für Leute, die den Spielraum der Gesetze ausloten.]

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<...am 10. September 1912, dem ersten Tagebucheintrag Zweigs, den wir kennen, heißt es: “Dann spazieren, Liechtenstein, schaup. Das Object zu jung noch ohne tieferes Interesse, mehr frappiert als schon an richtiger psychologischer Stelle erfaßt. Dies eigentlich weniger aufreizend, aber mehr gefährlich und wäre zu meiden, wie Liechtenst. überhaupt.”

[DER SPIEGEL 39/2015, S. 139.  Nackt. War Stefan Zweig Exhibitionist?]