18,03,11
Was ist Propaganda?
Ich denke, das erste Hauptcharakteristikum ist, dass sie eine Legende darstellt, die sich ein mehr oder minder naiver Verfasser zusammengereimt hat. Vielleicht auch eine Legende, die sich mit Hilfe mehrerer Verfasser im Laufe der Zeit entwickelt hat.
Das zweite Hauptcharakteristikum ist, dass die Legende einen Zweck verfolgt: Sie will Menschen zu irgendeiner Ansicht überreden oder bekehren, vielleicht sogar den Verfasser (oder die Verfasser) selber.
Das dritte Hauptcharakteristikum ist, dass die Propaganda-Legende als objektive Wahrheit daherkommen will. Als Erkenntnis. Oder auch als praktische Lösung eines Problems.
Das vierte Hauptcharakteristikum ist, dass die Propaganda-Legende als was Moralisches dastehen will, das sich gegen was Unmoralisches wendet. Als Aufklärung über was Schlimmes.
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Das Thema hat mich schon länger beschäftigt – also insbesondere, dass ich darüber schreiben wollte. Doch nun geriet ich an einen „Leitartikel“, der mir ein schönes Beispiel aus heutiger Zeit zu sein schien. Und zwar handelte es sich um den Leitartikel im Spiegel Nr. 50A von 2015. Das ist eine spezielle Spiegelausgabe für Abonnenten, die nannte sich „Chronik 2015“ vom 09.12.15. Der Leitartikel war gleich zu Anfang auf Seite 6 und stammte von Markus Feldenkirchen mit der Überschrift: „Die neue Angst“. Das Thema sind die Flüchtlinge und die Deutschen.
Nach Feldenkirchen gab es 2015 „das freundliche und das abweisende Deutschland“ – also brennende Flüchtlingsunterkünfte etwa. Damit fängt schon die typische Propaganda-Mythologie an: die mangelhafte Fallunterscheidung, die meiner Ansicht nach einen hypnotischen Effekt in die gewünschte Richtung erzeugt. Allerdings erscheint diese mangelhafte Fallunterscheidung als objektive Beschreibung der Wirklichkeit. Hier wird ignoriert, dass es auch einiges Dazwischen gibt: Also nicht nur den Jubel und die Boshaftigkeit, sondern auch eine differenzierte Sichtweise: nach dem Motto etwa: Es gibt eine Menge sogenannter Flüchtlinge, die nicht begrüßenswert sind, aber dennoch auch einige echte Flüchtlinge, die es sehr wohl verdienen, aufgenommen zu werden. Diese Rubrik taucht bei Feldenkirchen nicht auf.
Nun schwingt sich Feldenkirchen mit Hilfe von Karl Popper zu einer hohen moralischen Instanz auf. Seine Unterscheidung wäre nämlich schon bei Popper dargelegt als Unterscheidung von „Anhängern einer offenen Gesellschaft und einer geschlossenen Gesellschaft, die sich abriegelt vor Fremd- und Ungewissheit“. Es gäbe lt. Popper einen Übergang von der Stammes- in die offene Gesellschaft. – Dreimal darf man raten, wer lt. Feldenkirchen zur offenen Gesellschaft gehört – und wer ihre Feinde sind. - Dass die Anhänger des IS (= Islamischer Staat), Feinde der offenen Gesellschaft sind, ist geschenkt. Was Feldenkirchen selbstverständlich ‚vergisst‘, ist, dass eigentlich der Islam grundsätzlich, und nicht nur der IS, mit ‚offener Gesellschaft‘ wenig bis nix am Hut hat – aber so was zu behaupten wäre ja ‚Islamophobie‘ seitens dt. Angsthasen. Für ihn kommt es, meiner Ansicht nach, im Wesentlichen drauf an, das moralisch Verwerfliche bei den Deutschen selber auszumachen:
<Eine Bedrohung stellen aber auch jene Mitbürger dar, für die Freiheit und Freizügigkeit jetzt keinen Wert mehr haben. Bürger, die aus dem Empfinden von Angst und Überforderung zurück zu einer geschlossenen Stammesgesellschaft wollen, von der Karl Popper schrieb. Es sind verständliche, urmenschliche Reflexe, die hinter dieser Sehnsucht nach Überschaubarkeit stecken – und doch wäre es die völlig falsche Reaktion sich ihnen hinzugeben.> - Das mag ja durchaus stimmen, dass etliche solcher Leute vor allem in den Dörfern Deutschlands und in Bayern existieren – wer will das abstreiten? aber hat man damit wirklich alle erfasst, die kritisch gegenüber der ‚Willkommenskultur‘ sind? Gibt es darunter nicht auch einen Haufen Weltbürger und gerade Leute, die die offene Gesellschaft gegen die massenhaft eindringenden bzw. sich mehr und mehr als radikale Islamisten outenden Mohammedaner (z.B. aus der Türkei) verteidigen wollen?
Nun kommt Feldenkirchen von den theoretischen in praktische Gefilde, und auch hier ist seine Fähigkeit, sich und andere durch Legenden was vorzumachen, geradezu phänomenal.
Erstens – hat Feldenkirchen es mit ‚diffuser Angst‘. Egal, was sie nun bedeutet, ist das praktische Lösungsritual, das er anbietet, einfach nur lachhaft: „Gegen diese Angst helfen Sprach- und Integrationskurse für Flüchtlinge.“ Das ist dermaßen naiv, dass ich mich innerlich sträube, dagegen zu argumentieren! Als ob beispielsweise die kriminellen sog. ‚Flüchtlinge‘, die sich hier mittlerweile eingefuchst haben, sich von Sprach- und Integrationskursen nur im Geringsten beeindrucken ließen! Oder als ob die Familien, die nicht gewillt sind, ihre traditionellen Vorstellungen von Familien-Ehre, Clitorisbeschneidung, Zwangsheirat von minderjährigen Mädchen, Polygamie (bis zu 4 Ehefrauen) usw., schlagartig diese kulturellen Paradigmen durch solche Kurse aufgeben würden! Als ob religiöse Fanatiker ihre Vorstellung von Scharia als zum Islam zugehörig, aufgeben würden durch solche Kurse! – Der Rest, der solche Kurse erfolgreich besucht – behaupte ich mal dreist – ist lediglich eine kleine Minderheit der Flüchtlinge, die es tatsächlich ernst meint mit Deutschland.
Dann noch grotesker die die Allmachts-Vorstellung eines Naivlings:
„Die zu Recht gefürchteten Parallelwelten mitten in Deutschland müssen sich nicht zwangsläufig bilden. Wir haben es in der Hand“. Als ob in Frankreich, Belgien, England, Dänemark, Schweden und auch Duisburg und Neukölln mit ihren Parallelgesellschaften nur Deppen die Regentschaft hätten! Und jetzt kommt ein Leitartikler daher und sagt denen mal, wo es lang zu gehen hat!
Zweitens – hat Feldenkirchen es mit der konkreten Angst – also Angst vor konkreten Terroristen. Nun zu seinen Vorschlägen diesbezüglich:
„Der Staat sollte auch die Flüchtlinge schärfer kontrollieren und besser registrieren, als dies bislang geschehen ist. Er muss die Hintergründe der Menschen rascher prüfen und sie konsequent abschieben, wenn sie keinen triftigen Grund zum Bleiben haben.“ – Gut gebrüllt Löwe! Aber der Merkel-Staat scheißt Dir (mehr oder weniger) was zu jedem einzelnen Deiner Vorschläge.
Warum das der Fall ist, wäre eine Spekulation wert, die ich mir aber hier verkneifen will.
Kurz zusammengefasst: Ich denke der Leitartikel von Herrn Feldenkirchen ist ein schönes Beispiel für Propaganda. Man findet alle 4 von mir aufgelisteten Hauptcharakteristika:
- Die schwarz-weiß-Legende von den Guten und den Bösen mit Hilfe mangelnder Fallunterscheidung.
- Der Zweck ist es, die Leser in diesem Sinne zu indoktrinieren oder in ihren schon bestehenden Vorurteilen zu bestätigen bzw. entgegenstehende Ansichten zu bekämpfen und dagegen zu immunisieren.
- Die Darstellung der Legende kommt als objektive Erkenntnis daher. Die praktischen Lösungsvorschläge erscheinen plausibel.
- Der moralische Impetus ist ebenfalls vorhanden: Wehe wir Höhermoralischen geben nach – dann gnade uns Gott! Wehret den Anfängen!
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18,03,13
Was ist Propaganda – Teil 2
In den Tagebüchern (1939 – 1945) von Friedrich Kellner finden sich auch jede Menge Zeitungsausschnitte als Dokumente aus jener Zeit. Ich werde jetzt einen davon herausgreifen, um die NS-Propaganda zu beleuchten (S. 761).
Der Zeitungsartikel (ungenannter Herkunft, vielleicht “Völkischer Beobachter”?) stammt vom 22. Juli 1944 und hat die Überschrift „Treuebekenntnis der Werktätigen“. Untertitel: Dr. Ley sprach in einer Berliner Großkundgebung über das Attentat auf den Führer.
<Der Großappell wurde über alle deutschen Sender übertragen und von den Gefolgschaften der deutschen Betriebe im Gemeinschaftsempfang während der Werkpause miterlebt.>
<Die Millionen in der Rüstung schaffenden Volksgenossen lauschten dem Reichsorganisationsleiter atemlos und folgten mit grimmiger Verbitterung gegen die Verbrecher der flammenden Anklage Dr. Leys, dessen Rede sie immer wieder durch Zurufe und Beifall unterbrachen. Dieser große Appell an der Stätte des deutschen Werkschaffens brachte wiederum in einer historischen Stunde überzeugend die enge und durch nichts zu erschütternde Verbundenheit zwischen der nationalsozialistischen Führung und dem gesamten deutschen Volk zum Ausdruck.>
Dr. Ley führte aus:
< (...) Im Augenblick wurde der Nation klar, was aus Deutschland würde, wenn dieser Mordanschlag wirklich die von den Mördern beabsichtigten Folgen gehabt hätte und Adolf Hitler nicht mehr wäre.
Die Auswirkungen wären unfaßbar, unvorstellbar. Mit einem Mal wäre ein gewaltiges Werk vernichtet, alle Aussichten auf Erfolg und Sieg wären verschwunden. Vor allem aber würden Millionen deutscher Menschen in ein unsagbares Elend, in Sklaverei, Vernichtung, Armut, Not und Hunger hineingeführt – ganz abgesehen davon, daß die Opfer, die Millionen von Soldaten und Familien in der Heimat durch Hingabe ihres Blutes gebracht hätten, vergeblich gewesen wären. Unser Volk würde hilflos unseren erbarmungslosen Feinden ausgeliefert sein.> (Fette Lettern im Originaltext).
Friedrich Kellner, der den Zeitungsartikel damals in seinem Tagebuch kommentierte, schrieb u.a. dazu, S. 762 f.:
<Uebrigens begrüße ich die Rettung des Führers, weil er aus taktischen Gründen bis zum bitteren Ende dabei sein muß. Es darf für künftige Zeiten keine Ausrede möglich sein. Er muß dableiben bis es gar keinen Ausweg mehr gibt, bis selbst die „Vorsehung“ nicht mehr helfend ihm zur Seite steht. - >
M.a.W.: Was Dr. Ley da behauptet, ist ja nur eine Denkmöglichkeit. Es gibt mindestens noch eine entscheidende andere, nämlich eben die Niederlage Deutschlands, wie sie nicht nur Friedrich Kellner ganz klar voraussah, sondern eben auch die Leute vom 20. Juli, wenn man Hitler weiter gewähren ließe. Hier haben wir wieder die mangelnde Fallunterscheidung, die diesmal zur Hypnose der beifallsklatschenden deutschen Werktätigen maßgeblich beiträgt. Die Aussichten auf „Erfolg und Sieg“ sind lt. Dr. Ley auch Mitte 1944 immer noch vorhanden. (Also nach der Operation Overlord vom 6. Juni 44 am Atlantik und nach der sowjetischen Operation Bagration vom 22. Juni 44 an der Ostfront). Diese Vorstellung Dr. Leys entspricht keineswegs der objektiven Realität: sie ist schlicht und einfach ziemlich unwahrscheinlich, und eine objektive Bestandsaufnahme müsste dies eingestehen. Insofern, als er sich dieser Realität verweigert, ist diese einseitige Auffassung eine Legende.
Auch produziert Dr. Ley eine hohe moralische Entrüstung, hätten doch diese Verbrecher des 20. Juli mit ihrer Tat, wenn sie denn Erfolg gehabt hätten, das dt. Volk den erbarmungslosen Kriegs-Feinden – mit allen schrecklichen Folgen – ausgeliefert. – Natürlich ist klar, dass man da auch anderer Ansicht sein kann, schließlich war es ja Hitler der die Kriege gegen Polen und die Sowjetunion vom Zaun gebrochen – und dort sein rassistisches Gräuel-Regime errichtet hat. Und diese Völker (und nicht nur diese) hatten durchaus nach Kriegsende ein entsprechendes Bedürfnis nach Rache. Also ist ja eigentlich real Hitler der Verbrecher, der die Deutschen (was Ende Juli 1944 ohne weiteres voraussehbar war) den erbarmungslosen Feinden ausliefert und nicht die Leute vom 20. Juli, die dies mit ihrem Attentat auf Hitler sicherlich verhindern wollten. Davon erzählt Dr. Ley allerdings nix. Übrigens auch hier wieder die mangelnde Fallunterscheidung, die bei den Zuhörern (wahrscheinlich auch beim Redner) das klare Denken ausschaltet.
Zu dieser Legende passt auch sehr schön die Rolle der ‘Vorsehung‘.
Weiter Dr. Ley:
<Um so dankbarer waren wir alle, als wir den nächsten Satz jener ersten Meldung hörten, daß der Führer unverletzt ist (Bravo-Rufe, langanhaltender Beifall). Das deutsche Volk hat diesen Satz in sich aufgesogen. Der Führer unverletzt! Wie durch ein Wunder hat er nichts davongetragen, obwohl er am nächsten war, während alle anderen teils schwer, teils leicht verletzt wurden. Ich bin weiß Gott kein Mystiker, und ich glaube nicht an Wunder. Aber hier möchte ich wirklich sagen, daß der Herrgott seine Hand im Spiel hatte und diesen Mördern die Bombe aus der Hand nahm. Ehrfurchtsvoll stehen wir vor der Tatsache.>
Dazu kommentiert Friedrich Kellner (S. 762):
< (...) Wer zweifelt noch daran, daß der Führer von der „Vorsehung“ geschützt wurde? Es ist also ein sichtbares Wunder geschehen. Worauf es ankam.
Das Volk muß die Ueberzeugung gewinnen, daß der Führer nach dieser Rettung am Ende mit dem Siege belohnt wird.>
Dr. Ley selber drückt diese Idee etwas anders, doch letztlich ganz gleichsinnig aus:
<Adolf Hitler ist uns alles! (Minutenlanger Beifall). Wir gehören ihm und er gehört uns. Und das ist das Gute, was diese Tat offenbarte, die enge Verbundenheit der breiten Massen mit diesem eigenartigen Mann, mit Adolf Hitler. Es wird jetzt vieles anders werden. Die Eiterbeule ist Gott sei Dank zeitig geplatzt. Das ist nicht nur eine gewonnene Schlacht, sondern der gewonnene Krieg. (Stürmischer Beifall.)
Interessant ist weiterhin, dass Dr. Ley’s Propaganda-Legende auch eine praktische Dimension hat. Er leitet diese folgendermaßen ab: Es handele sich bei jenen Verbrechern des 20. Juli um einige undankbare reaktionäre Herren. Der Führer gab ihnen alles.
< (...) Er hat diesen Mördern erst die Uniform wiedergegeben, denn Deutschland besaß vorher nur ein kleines Heer. Der Führer gab Deutschland wieder Macht und Herrlichkeit und damit auch ihnen. Diese Verbrecher lohnen es ihm mit Bomben, Mord und Undank. (...) >
Daraus folgert Dr. Ley als neue Praxis:
<Das deutsche Volk verlangt heute, daß die Revolution alles nachholt, was sie versäumt hat. (lebhaft zustimmende Zurufe, langanhaltender Beifall.) Diese Kreaturen muß man vernichten. Jeder Deutsche muß wissen, daß sein Blut ausgerottet wird, wenn er Deutschland verrät.>
Worin denn nun tatsächlich das besteht, was nachgeholt werden soll von der nationalsozialistischen Revolution, verrät Dr. Ley allerdings nicht. Aber der Beifall zeigt an, dass er da irgendeine Schleuse geöffnet hat. Vielleicht das Sozialistische im Nationalsozialismus? – Allerdings sein Ausrottungsversprechen ist konkret, und das wird auch tatsächlich an den Leuten des 20. Juli vollstreckt. Das einzig realistische an dieser Propaganda-Rede!
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Kurz zusammengefasst:
- Der entscheidende Trick für die Legende ist, wie oben im ersten Beispiel, die mangelnde Fallunterscheidung. Diesmal bzgl. der Kriegsrealität Ende Juli 1944.
- Es handelt sich um eine Rede mit der zig-tausende von Zuhörern aber auch Leser indoktriniert bzw. bei der Stange gehalten werden sollen.
- Die Darstellung der Legende kommt als objektive Erkenntnis daher. Die praktischen Lösungsvorschläge werden vom Publikum begrüßt, erscheinen also plausibel.
- Ein moralischer Impetus ist ebenfalls vorhanden: Schutz des dt. Volkes gegen die internationalen Verbrecher, denen die nationalen Verbrecher Tür und Tor öffnen wollen.
- Was neu ist: die Legende wird mit Aberglauben ausgeschmückt. Wer so von der Vorsehung beschützt wird, wie der Führer, für den wirkt auch sonst noch die Hand Gottes – hin zum Sieg. (Vermutlich ein mittelalterliches Motiv, das offenbar in den dt. Volksmassen des 3. Reiches immer noch seine Wirkung hatte.)
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18,03,25 - Schlussbemerkungen
Ich halte es mittlerweile für eine interessante Hypothese, anzunehmen, dass es kein Zufall ist, wenn bei der Produktion einer Propaganda-Legende der ideologische Argumentationstrick der mangelnden Fallunterscheidung eine ganz wesentliche Rolle spielt.
Die Anwendung des Tricks bewirkt ja, dass hiermit das objektive Denken über einen bestimmten Sachverhalt ausgeschaltet wird. Ich denke, dass es sich hierbei um ein interessantes logisches Problem handelt. Denn in meinen Augen ist dieser Trick eine verkappte Form des Circulus vitiosus, zu Deutsch: ein ‚Zirkelschluss‘. Das heißt: Eine Folgerung kann nicht aus sich selbst (d.h. schon in ihren Voraussetzungen steckend) abgeleitet werden, wenn sie keine Tautologie sein soll.
Wenn ich nur das bei meiner Argumentation voraussetze, was mir gefällt, und alles Übrige ausblende, so komme ich selbstverständlich auch zu einem Ergebnis meiner Argumentation, das mir gefällt. Objektives Denken erfordert jedoch, dass man auch relevante Sachen mitberücksichtigt, die mir nicht genehm sind. Dass man also eine haltbare Fallunterscheidung trifft. Wenn beispielsweise Dr. Ley einzig davon ausgeht, dass wir mit Adolf Hitler den Krieg gewinnen werden, und nicht berücksichtigt, dass wir auch mit Hitler den Krieg verlieren können (ja sogar sehr wahrscheinlich verlieren werden!), so kommt er selbstverständlich zu demjenigen Ergebnis, das ihm in den Kram passt, dass nämlich die Leute des 20. Juli 44 definitiv Verbrecher sind, da sie uns ja an die Feinde ausliefern (wollen). Hätte er die Wahrscheinlichkeit des weiteren Kriegsverlaufs berücksichtigt, so wäre auch die Frage, ob die Leute des 20. Juli tatsächlich ‚Verbrecher‘ waren, zu erörtern.
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Es gibt noch eine wichtige Propagandaform, bei der es darum geht, jemand als Feind zu brandmarken, indem man ihn (oder eine ganze Gruppe) moralisch schlechtmacht. Der Trick bei dieser Legendenproduktion ist, dass alles nur erdenklich mögliche zusammengekratzt wird, was einem dazu in den Kram passt. Aber niemals konkret auf eine ganz bestimmte Argumentation, eine ganz bestimmte Tätigkeit (des ‚Feindes‘) eingegangen wird, um beweiskräftig aufzuzeigen, worauf genau denn nun hier die moralische Verwerflichkeit beruht. Bestenfalls sind es irgendwelche Andeutungen z.B. nach dem Motto: „Man weiß ja Bescheid...!“ (Siehe dazu auch ideologischer Argumentationstrick No. 44 – Etwas begründungslos als ‚Selbstverständlich‘ hinstellen). – Auch hier sehe ich wieder die mangelnde Fallunterscheidung am Wirken, da dem ‚Feind‘ ja keine Gelegenheit gegeben wird, dass er dargestellt wird, wie er wirklich ist. Denn wenn der Propagandist es scheut, beweiskräftig konkret zu werden, besteht die dringende Veranlassung anzunehmen, dass es ihm eigentlich nur um bösartige Stimmungsmache, also um Hetze geht (was durchaus unbewusst und insofern im Vollbesitz der - subjektiven - Überzeugtheit stattfinden kann! weshalb er natürlich niemals zugeben wird, dass es sich hier tatsächlich - objektiv - um propagandistische Hetze handelt.)
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