Seele als Informationsfilter

17.04.11

 

Zunächst einmal Was versteht man unter ‚Seele’?

 

Der Begriff geistert auf die verschiedenste Art durch die Weltgeschichte. Was mir erst mal spontan dazu einfällt:

 

Theologisch: Gab es nicht ganz früher einen Kirchenväterstreit, ob die Frau eine Seele hat? Oder auch die Frage: Haben Tiere eine Seele? Ist die Seele unsterblich? Gibt es Seelenwanderung? Erlebt die Seele eine Wiedergeburt? Nicht zu vergessen: Schließlich gibt es bei den Christen den Priester als ‘Seelenhirten’.

 

Dann als negativer Ausdruck im Sinne von Abwesenheit von Leben: “entseelt”. Oder als Verlorenheit eines Einzelnen: “eine verlorene Seele”. Oder gar als mehrere verlorene Seelen, SOS: “Save our Souls”.

 

Auch als Ausdruck von Entmenschtheit, Hohlheit, z.B. im Ausdruck „seelenloses Maschinenzeitalter“.

 

Schließlich als Psychologie:

Die Lehre vom Seelenleben. Seelische Grausamkeit,   Seelische Krankheiten, Seelische Gesundheit.

 

In diesem letzteren, psychologischen Sinne möchte ich die Seele als Informationsfilter bezeichnen. Dann bekommt der Begriff auch einen operationalen Sinn.

 

Wie wir alle wissen, ist der Mensch (genauer: die Gesellschaft) nicht nur ein Stoffe-, Substanzen und Energie-verarbeitendes System sondern auch ein informationsverarbeitendes System. Letzteres ist seine Hauptstärke im Vergleich zu anderen Lebewesen, sodaß ihm im Gefolge seiner vielfältigen (realistischen) Informationen Substanzen und Energie in besonders hohem Maße zur Verfügung stehen.

 

Der Mensch als einzelner hat jeweils Unmengen gesellschaftlich geprägter Filter, mit denen er spezifische Wahrnehmungen sortiert und dann darauf ‚anspringt’. Die Art, wie der Einzelne mit diesen Filtern umgeht, auch welche er überhaupt übernimmt oder ablehnt bzw. kritisiert, macht seine spezielle ‚Persönlichkeit’ aus. Oder auch anders ausgedrückt: macht seine informationelle Seele aus.

 

Es gibt beispielsweise eine Menge Filter, wie man mit Arbeitsrealitäten umgeht. Z.B. als Facharbeiter oder Ingenieur. Oder als Frau mit Haushalt und Kindern. Oder als Bauer & Bäuerin mit Bäumen, Garten und Feld, Kühen, Schweinen und Hühnern. - Oder auch als Faulenzer, als Künstler oder Bohemien. Feste mit Verwandten und Bekannten vorbereiten, Essenszubereitung nach bekannten Rezepten. - Jeweils das drückt aus, welche Persönlichkeit man darstellt, welche konkrete Seele man besitzt (unabhängig von den Komplikationen, die auch oft existieren).

 

Jetzt aber nun zu den Komplikationen der Seele, die ja zu einem großen Teil deswegen existieren, weil in unserer zivilisierten Welt die Seele eben nicht komplikationsfrei funktionieren kann!

(Meiner Ansicht nach wegen systematisch falsch eingestellter Informationsfilter).

 

Ist beispielsweise eine Persönlichkeit X‚ ‘seelisch grausam’ (also nicht unbedingt auch körperlich grausam), so hat sie spezifische Filter, mit denen sie irgendwen auf bösartige Weise rubriziert. Oft – oder eigentlich meistens – nicht mal bewußt. Ein Mitschüler Y beispielsweise wird in der Klasse zum Gespött gemacht und X fühlt sich berufen, hier ganz besonders viel Tücke gegen Y walten zu lassen. Der gesellschaftliche Filter ist: Minderwertige (wie Y) müssen als solche erkannt und verhöhnt werden. Daß X hier besonders viel Tücke produziert, hat vermutlich mit seiner eigenen Kindheit zu tun, als ihm als (minderwertigem) Kind ebenfalls Tücke und Verhöhnung seitens seiner liebenden Eltern beschieden wurde. Er ‚agiert’ jetzt dieses Wissen und Können bezüglich jenes Filters gegen Y gekonnt aus.

 

Manipulationsanfälligkeit. 80% der Deutschen sind begeistert von einem relativ jungen Minister namens Baron von Guttenberg. Wie kann man das erklären? Die gesellschaftlichen Filter sind: Erstens finden brave Deutsche brave mittel-junge Männer in Spitzenpositionen gut, die den Eindruck von Fähigkeit vermitteln. Zweitens finden sie es gut, wenn so jemand noch ein paar Extravaganzen ins scheinbar weniger Brave hinein produziert (bei von Guttenberg etwa gegelte Haare; forscher Besuch bei der Truppe in Afghanistan, seine schicke junge, selbstverständlich ebenfalls adelige, Frau). (Das beschwichtigt ihre Angst, sie wären nur armselige Spießer und wollten auch nur solche als Politiker). Drittens finden sie so jemand erst recht als (selbstverständlich konservativen) Baron gut! Insgeheim haben sie sowieso einen Faible für den Hochadel – speziell viele Frauen haben dieses Faible.

 

Die Filter der Wahrnehmung haben nicht einfach nur mit Wissen oder mit Fachwissen - sondern damit verknüpft -  vor allem mit sozialer Bewertung zu tun. (Auch das scheinbar objektive Sachwissen unterliegt letztlich sozialer Bewertung). Sachverhalte, die in früheren Zeiten eine hohe soziale Bewertung erhielten, können auf der Skala absteigen bis hin zum desinteressierten Nicht-mehr-Wahrnehmen. Beispielsweise Zigaretten waren 1945 dermaßen nachgefragt, daß sie in der Nachkriegszeit eine regelrechte Währung darstellten. Man wußte natürlich auf dem Schwarzmarkt genauestens Preis und Sorte (Lucky Strike, Pall Mall, Camel, Chesterfield). Heutzutage sind Zigaretten weitgehend uninteressant geworden und unterliegen kaum noch der Beachtung (gleichgültig wieviel Sorten es gibt). Und das wäre meiner Ansicht nach auch zukünftig in einem extremen Krisenfall so.

 

Vorurteilsbereitschaft. Jemand, der in den 30er Jahren noch jeden Juden an der Nase erkennen konnte und sich darauf was einbildete, würde sich heutzutage absolut lächerlich machen - wenn nicht Schlimmeres.

 

Damit will ich ja nur immer wieder sagen, daß wir uns auf innere, gesellschaftlich geprägte Bilder und entsprechende Bewertungen beziehen, wenn wir mit Wahrnehmungen umgehen. Wir haben Filter, welche typische Muster ausspucken, wie wir Wahrnehmungen zu beurteilen haben. Das ist bei mittlerweile überholten Vorurteilen sogar für den Gegenwartsmenschen deutlich:

 

Beispielsweise 50er/60er Jahre, eine Frau fährt Auto: „Frau am Steuer!“ Das war das Schlagwort, das fast jedem ‘richtigen’ Mann sofort, wie elektrisiert, einfiel, wenn er tatsächlich eine Frau am Steuer sah,  nämlich daß Frauen unfähig sind, richtig Auto zu fahren. Das war dem so klar “wie Kloßbrühe”.

 

 

Seelische Krankheiten haben meiner Ansicht nach mit Informationsfiltern (Bewertungsfiltern) zu tun, die im gleichen Bewußtsein, bei der gleichen Person in Widerspruch miteinander stehen. -  Beispiel: Eine Mutter findet ihren Sohn objektiv gut (aufgrund seiner positiven Fähigkeiten), es wird ihr aber offiziell eingeredet, ihr Sohn sei Scheiße. Sie hat jetzt zwei miteinander in Widerspruch befindliche Informationsfilter (Bewertungsfilter), mit denen sie ihren Sohn wahrnimmt. Somit wird sie flippig gegenüber ihrem Sohn. Ihr ganzes Leben bzgl. ihres Sohnes nimmt skurrile, neurotische Formen an, sofern ihr Sohn ihr viel bedeutet. 

 

Anderes Beispiel: Ein Kind fühlt sich stark und souverän, weil es von der Mutter (als Stellvertreterin der Familie) besonders gehegt und gepflegt und von Lasten befreit, also verwöhnt, wird. Andererseits ist das Kind durch jene Verwöhnung (in dem Maße) unfähig zur Eigeninitiative. Real ist das Kind dann im weiteren Leben gar nicht so stark und souverän, wie es sich das einbildet. Folglich ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Einbildung und Realität. Also eine Form von Größenwahn.

 

Drittes Beispiel: Die schöne Frau als Sexual-Göttin zu erobern, bedeutet für den Mann Glück, da die Sexualreligion heutzutage die eigentliche, die wahre Religion ist. Das drückt sich als ständiger  Informations- und Bewertungsfilter im Leben des typischen virilen Mannes aus. (Wie schaffe ich es, zu meinem Glück=schöne Weiber vögeln -  zu kommen?).

Andererseits erlebt er eine angeblich ‘persönliche’ Versagungsreaktion in Form von ‘Ejaculatio Praecox’ aufgrund seiner Nervosität beim Sexualakt mit der Göttin. Auch ist er nicht wirklich sexuell aktiv, weil er eigentlich eine Göttin anbetet mit seinen (vorgeblichen) Sexualhandlungen. Folglich erlebt er miese Orgasmen. - All dies jedoch ist die verborgene Schattenrealität hinter der  lichtvoll-romantischen Glücksverheißung - wenn Du es endlich geschafft hast, die Göttin zu lecken und zu vögeln!

Schließlich wird er auch noch (bei hundertprozentigem Erfolg bei der Göttin, die nun ihr eigenes Glück bei ihm sucht) eifersuchtsparanoid, weil die (schöne) Sexualgöttin durchaus noch von anderen Männern begehrt wird außer von ihm. (Das findet sie natürlich gut - auch wenn sie es nicht deutlich ihm gegenüber zugibt). Der Widerspruch ist eklatant: Glück führt zum Unglück, hoch gesteigerte (angebliche) Sexualität führt (für den Mann) zu Antisexualität. Schließlich ergeben sich diverse neurotische Störungen, nicht nur beim Mann, sondern letztlich auch bei der Frau, da die Glücks-Beziehung (die trotz allem symmetrisch ist), d.h. die Lebenshoffnung auf (religiöse) Erfüllung und Sinn des Lebens, halt meist in den Arsch geht.

 

Was ist seelische Gesundheit? Alle Informations-Bewertungs-Filter müssten meiner Ansicht nach effektiv so ausgerichtet sein, daß sie miteinander kompatibel (also widerspruchsfrei) sind.

 

Diese Kompatibilität muß zunächst, logisch betrachtet, nicht unbedingt mit Humanität identisch sein, so sehr man sich dies wünschen würde (man wünscht sich: in der Humanität ist alles Menschliche gerecht, gut und wahr). Das müßte eigentlich erst genauer und detailliert untersucht werden. - Also konkret:  Himmler konnte für sich, in sich,  erst mal widerspruchsfrei guter Familienvater und seiner Ansicht nach guter Deutscher sein. -  Aber dann muß man absehen zumindest von seinem nicht haltbaren Antisemitismus, was ja schließlich seine entscheidende Existenz als ‘Himmler’ ausmachte.  - Dann kommt man also doch letztlich auf die Humanität, weil der Antisemitismus argumentativ nicht haltbar ist?

 

Bei aller bisher mangelnden formellen Beweisbarkeit kann ich mir aufgrund meines eigenen empirischen Zusammenlebens mit Barbara vorstellen, daß wahrhafte, oder zumindest ernsthafte, christliche Humanität (ohne den üblichen Zinnober) in der Tat ein widerspruchsfreies System der Informations-Bewertungs-Filter bei beiden von uns ermöglicht, das somit seelische Gesundheit ermöglicht.

Aber das müßte - als allgemeingültige Erkenntnis -  meiner Ansicht nach erst genauer erforscht werden.  Das wäre meines Ermessens wirklich eine ernsthafte Aufgabe. Oder haben es schon Leute getan - und gemerkt:  né, né, alles Quatsch, es gibt letztlich nur Beschiß und Idiotie als letzte Wahrheit der diesseitigen Welt? - Deswegen kann man nur in die ewigen Seelen-Gefilde der jenseitigen Welt entfleuchen? - womit wir wieder beim Anfang wären.