Staatsweiber

Januar 2013

Staatsweiber

 

Diese Begriffsbildung geistert mir seit einigen Tagen durch den Kopf. Damit könnte irgendwas ausgedrückt werden, was ich nun näher zu erfassen suche.

 

Der Punkt bei der Sache ist, daß es sich - bei aller Freiheit und Selbstbestimmtheit - immer noch um den kapitalistisch-imperialistischen oder auch den ausbeuterischen Klassenstaat handelt, wenn auch in modernisierter Form. Damit wird die Sache schon ein bißchen mehr verdeutlicht. Ich gehe im Folgenden vom Kapitalismus in seiner modernen Entwicklung seit Anfang des 20. Jhdts. aus.

(Vgl. dazu auch Eva Illouz: Der Konsum der Romantik: Liebe und die kulturellen Widersprüche des Kapitalismus (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Oder besser das amerikanische Original: Consuming the Romantic Utopia. Love and the Cultural Contradictions of Capitalism. University of California Press, Berkeley 1997. Es handelt sich bei diesem von mir angegebenen Link um ‘Google Books’, wobei die gekürzte Probe-Fassung außergewöhnlich ausführlich ist!)

 

Die 'Staatsweiber' sind nicht nur einfach Spielbälle des Kapitalismus und tanzen wie die Puppen nach dessen Vorgaben à la Mode. Das ist nur die halbe Wahrheit. Sie sind auch selber aktiv an der Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des kapitalistischen Staates beteiligt. Das geschieht durch die Auswahl der Männer und durch die Erziehung der Kinder. Denn sofern sie sexuell attraktiv sind, sind sie die Profiteure des Systems. Und die nicht so attraktiven Weiber orientieren sich an den attraktiven als Vorbilder.

 

Aufgrund der Knappheit der attraktiven Weiber lechzen die Männer hinter ihnen her – und nicht genug – die Männer werden vor allem als Jugendliche auch noch zusätzlich knapp gehalten: Der Staatsanwalt hält seine Hand über die jungen Weiberlöcher und es gibt genügend alte MoralistInnen, die sich damit besonders hervortun, daß hier nix passieren darf. Dazu kommt dann, daß die sexuelle Liebe zur attraktiven Frau als die Erfüllung aller Glückssehnsucht gilt. Entsprechend werden die attraktiven Weiber mit Zuwendungen und Liebesbeweisen überhäuft. (Allerdings gibt es aber auch einen - vermutlich damit irgendwie zusammenhängenden - untergründigen Weiberhaß etlicher Männer, wie die Vergewaltigungen, Haßausbrüche in der Ehe und sexuellen Frauenmorde beweisen). Die materiellen Zuwendungen an die attraktiven Weiber heizen den Konsum an. Die wirklichen, extremen Konsumenten sind in der Regel die mehr oder minder attraktiven Weiber (80 Paar Schuhe, neue Klamotten ohne Ende, Make-up und Schönheitstricks, Diamonds are a Girl's best Friend, usw.).

(Vgl. dazu als Illustration die Bildergalerie des Malers Johannes Müller-Franken)

 

Trotzdem im Prinzip praktisch fast alle Weiber im hypermodernen Kapitalismus der Gegenwart ‘Staatsweiber’ sind, gibt es doch eine breite Palette von Unterschieden. Man kann dies unter dem Begriff der Widersprüchlichkeit zusammenfassen. Viele Weiber wollen nicht einfach nur kalte, berechnende, manipulierende, freche ‘Staatshuren’ sein, sondern sie haben auch Bedürfnisse nach emotionaler Geborgenheit und Wärme. Das läßt sich in der Regel aber nur schwer unter einen Hut kriegen. Und so irren sie durchs Leben – machen einmal Hüh, dann wieder Hott, und wissen eigentlich nicht, was sie wollen. (Manchmal orientieren sie sich deswegen an festen Dogmen etwa von Freiheit oder Bindung, was ihnen Hilfe und Orientierung - oft von 'oben' - geben soll). Aber in der Regel liegt das Schwergewicht auf der Seite des berechnenden Kapitalismus und nicht der Menschlichkeit. Und deswegen kann es (manchmal immer auf's Neue mit dem nächsten 'Partner') eine Flitterwochenzeit der gemeinsamen anerkannten Staatlichkeit geben, die jedoch oft genug irgendwann abgelöst wird durch die Tristesse der Unfähigkeit zur gegenseitig wärmenden emotionalen Begegnung und ernsthaften Kommunikation.

(Siehe dazu auch ‘Adorno zum Thema Sexualität’)

 

Man muß auch sehen, wie hier das moderne Glück entsteht. Nach meiner Glückstheorie gehört zum Glück die gesellschaftliche Anerkennung von Handlungen: ein breiter gesellschaftlicher Konsens daß gewisse Handlungen sinnvoll sind und deswegen anerkannt werden. Man kann das Modell des Fußballspielens in Deutschland heranziehen oder des Bergsteigens in Österreich oder des Schachspielens in der ehemaligen Sowjetunion. Es werden durch diese breite gesellschaftliche Anerkennung hohe Leistungen bei einzelnen erzielt, die ihnen  ganz besondere Anerkennung und somit Glück vermitteln. So auch bei der Staatsweiber-Sexualität. Es entstehen in diesem Rahmen einzelne ungeheuer attraktive junge Weiber: kleine schöne, gefühlvolle scheue Rehe; fröhliche, lebendige, edel aussehende, blonde Liebchen; intelligente, starke, tief wirkende, dunkelhaarige Schönheiten; exotische Zirkuspferdchen usw. Und die Frage ist, wie man als Mann in diesem Pool eine Chance bekommt, um in der höheren Liga mitspielen zu können. Die Weiber wissen (oder spüren) eigentlich sehr genau, wer dafür überhaupt in Frage kommt und wer nicht: ob mann sozusagen 'eine Partie' ist. Denn diese Frage ist ja schließlich ihr Lebenselexier. Wenn aber ein Mann in dieser Liga mitspielen kann, heißt das noch lange nicht, daß er ohne weiteres 'drankommt'. Da muß er sich in der Regel schon irgendwie ins Zeug legen. Und die Frage ist, ob da nicht in vielen Fällen diverse Manipulationen (Verführungstechniken) nötig sind – die die Frauen auch insgeheim wollen. Bei aller Cleverness eines Mannes bedeutet das nämlich implizit, daß er sich in dieses Staatsweiber-Spiel einordnet. Je mehr Cleverness, desto mehr Einordnung. So jemand kann ziemlich stark erscheinen, aber er ist dennoch ein Staatsweiberknecht – und irgendwann kann ihm ziemlich der Teppich unter den Füßen weggezogen werden, wenn er nicht aufpaßt.

 

Daß es sich bei der Sexualität mit Staatsweibern tatsächlich um einen Staatsakt, ja manchmal sogar um einen romantisch-religiösen Staatsakt handelt, erkennt man daran, daß es nicht einfach um Lust geht, sondern ganz primär um Symbolik. Diese Symbolik erst erzeugt Glücksgefühle. Die Lust ist da eigentlich nebensächlich und ist oft nur relativ schwach vorhanden. (Vgl. dazu Ejaculatio praecox). Wenn er ihn endlich drin hat in der wahren, begehrten Schönheit, bedeutet dies eine Symbolik  des Sieges, des Lebenstriumphes, der Anerkennung. Und alle (gerade modisch gesellschaftlich anerkannte) weibliche Körperschönheit ist Teil dieser Symbolik. Umgekehrt bedeutet die Tatsache, daß Er Sie begehrt und dies durch seinen triumphalen Eintritt in ihr Heiligtum dokumentiert, für Sie wiederum Anerkennung, die Sie glücklich machen kann, sofern Er 'der Richtige' ist. Die Lust ist auch hier bei Ihr eigentlich nebensächlich und ist oft nur schwach vorhanden.

 

Es ist zwar in diesem Zusammenhang nicht die Hauptfrage, aber immerhin eine Frage wert: was macht einen Mann für Staatsweiber attraktiv? Da gibt es mehrere Punkte, die als Eigenschaft eines Mannes wichtig sind:

 

  • Ein Abstrahlen psychischer Gesundheit und Kraft sowie Lebendigkeit.
  • Viel Samen, der darauf wartet, hineinzukommen – für sowas haben Weiber ein biologisches Gespür.
  • Eine gewisse Geisteskraft und/oder Cleverness.
  • Gesellschaftlicher Erfolg, der sich (zumindest) in Kleidung und Aussehen dokumentiert.

 

Kurioserweise ist keineswegs nur Jugendlichkeit und Schönheit gefragt, wie das ja umgekehrt bei den Frauen der Fall ist. Es können sogar uralte Männer sein, wenn sie die obigen 4 Kriterien erfüllen. Außerdem muß ein Mann nicht immer schön sein. Vermutlich haben die Staatsweiber einen universellen Anspruch: prinzipiell alle geschlechtsfähigen Männer sollen unter ihrem Bann stehen. Für diejenigen Männen, für die sich die  offiziellen Staatsweiber zu schade vorkommen, dafür gibt es dann wenigstens noch bezahlte Huren, die so aussehen wie Staatsweiber – was aber dennoch wohl kaum Glück erzeugt.

 

Jetzt muß Er sich nur noch angemessen verhalten, d.h. sich als Weiberknecht clever outen, wenn Sie Ihn interessiert mustert – und schon kann das Glücksspiel losgehn.