Mitte-Studie

 

Mitte Studie 2018/19

 

19,05,05

Grundlage dieser Mitte-Studie ist eine repräsentative Befragung, die in Deutschland regelmäßig (seit 2002) zum Rechtsradikalismus durchgeführt wird. Die Beantwortungen der Aussagen dienen sodann (zumindest in der Mitte Studie 2018/19) den Interview-Designern und anderen zugehörigen sozialwissenschaftlichen Autoren zu mannigfaltigen Reflexionen über die rechtslastigen Gesinnungen, die hierbei zum Ausdruck kommen.

[Andreas Zick, Beate Küpper, Wilhelm Berghahn: Verlorene Mitte Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19. Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Franziska Schröter. Verlag J.H.W. Dietz Nachf.,  Bonn 2019].

 

Was ich bei der ‚Mitte Studie‘ der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung von 2018/19 so faszinierend finde, ist die naive Unbewusstheit, mit welcher diese Sozialwissenschaftler ihre eigene geistige Befindlichkeit auf die von ihnen konstruierten ‚Rechtspopulisten‘ bzw. ‚Rechtsradikalen‘ projizieren.

Wobei man berücksichtigen muss, was der AfD-Bundestagsabgeordnete Curio von der Studie behauptet: Rechtspopulistische und rechtsextremistische Auffassungen sollen unterschiedslos ineinander übergehen. [Gottfried Curio: Kritik der „Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung; am 26.04.2019 bei YouTube veröffentlicht. Hier 1:05)]. Das kommt beispielsweise in folgender Sentenz der 320-Seiten Studie zum Ausdruck: “Und schließlich ist die Menschenfeindlichkeit ein bindendes und verbindendes Element rechtspopulistischer und rechtsextremer Orientierungen” (S. 56).

Einer der Hauptangriffe der Autoren dieser linkslastigen Studie von 2018/19 richtet sich ganz klar gegen die AfD. Um deren Ansichten kristallisiert sich offenbar (zum gegenwärtigen Zeitpunkt kurz vor der scheinbar wichtigen EU-Parlaments-Wahl 2019) die politische Stoßrichtung dieser Studie. Bei der Partei AfD handelt es sich um eine ‚Gruppe‘ mit ‚Mitgliedern‘ sowie Anhängern und Sympathisanten. Das also sind für die Autoren der Studie Feinde: Menschenfeinde und Feinde der Demokratie [was sich Linke üblicherweise unter‚ Demokratie‘ vorstellen, bei der sie vor allem unter sich bleiben wollen; echter Pluralismus also entfällt - was übrigens auch bei der hoch geschätzten Rosa Luxemburg der Fall war. Mit ihrer Freiheit der ‘Andersdenkenden’ waren lediglich (etwas) anders denkende revolutionäre Genossen gemeint.]. - Dass die AfD und ihr Anhang ‘Feinde’ sind, erinnert durchaus an Carl Schmitt‘s Lehre vom Politischen, das er im Kern bestimmt sah durch die Unterscheidung von Freund und Feind.

Die Frage ist natürlich nicht obsolet, ob es gut gehen kann, wenn solcherlei einseitiger politischer Impetus mit Wissenschaft vermengt wird. Ich erinnere nur an die genau gegen diese Vermengung gerichtete Forderung Max Webers nach Werturteilsfreiheit in der Wissenschaft.

 

 

Im Folgenden werde ich einschlägige Stellen zitieren und anschließend kommentieren

 

 

 

(01)

<Menschenfeindliche Vorurteile drücken generalisierte negative und ausschließende Urteile über andere Gruppen oder deren Mitglieder aus, die sie abwerten und als nicht gleichwertig markieren, also Ungleichwertigkeit herstellen. GMF [Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit] ist die Grundlage aller folgenden antidemokratischen Orientierungen, die Vorurteile mit politischen Meinungen verbinden.> (S. 23)

 

 

Bei dieser Projektion ist die Grundlage die AfD oder deren Mitglieder, Anhänger und Sympathisanten als die „anderen Gruppen oder deren Mitglieder“. Sie werden in der Tat von diesen Linken abgewertet und als nicht gleichwertig ‘markiert’. Die eigene menschenfeindliche Haltung (die man als linker Gutmensch natürlich nicht vor sich selber wahrhaben darf) wird sodann zwanghaft auf AfD und unbotmäßige ‚Mitte‘. projiziert: diese hätten darauf das Monopol.

Interessanter Hinweis: “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist die Grundlage aller antidemokratischen Orientierungen, die Vorurteile mit politischen Meinungen verbinden”. Man denke beispielsweise nur an die antidemokratische Farce mit dem Alterspräsidenten im Bundestag, der auf keinen Fall der AfD angehören darf und die Geschichte mit der ständig verhinderten Wahl eines AfD-Stellvertreters des Bundestagspräsidenten.

 

 

 

(02)

<Hierzu gehört auch der Glaube an Konspirationsmythen und Verschwörungstheorien, die eng mit autoritären Überzeugungen verbunden sind. (...) autoritär orientierte Personen, die eher daran glauben, ihre Lebensumstände seien unsicher und gefährlich und daher durch harte Regeln und Ausgrenzungen von »Fremden«, »Unbekannten« und v. a. von den eigenen Normen »Abweichenden« Sicherheit suggerieren wollen (...)> (S. 31)

 

 

Interessanter Hinweis dieser Projektion: dass es sich bei den Autoren eigentlich um autoritäre Leute handelt, die bei der AfD von rechter Konspiration und Verschwörung zur Beseitigung der Demokratie ausgehen. In der Tat geht es ihnen deshalb um „harte Regeln und Ausgrenzungen“ der ihnen so sehr Fremden und Unbekannten, die von ihren eigenen Normen abweichen und die sie deswegen diffamierend als ‚rechtspopulistisch‘ bis hin zu ‚rechtsextrem‘ brandmarken. (Auch der Ausdruck ‘Nazi’ wird bei Linken häufig gebraucht.)

 

 

 

(03)

<Ebenso können soziale Dominanzorientierungen mit antidemokratischen Einstellungen einhergehen. Dominanzorientierungen behaupten, die Gesellschaft ordne sich nach höher- und minderwertigen Gruppen, in jene, die nach »oben« oder »unten« gehören, und das sei zu akzeptieren. Dominanzorientierte hoffen, dabei Vorrechte zu sichern, weil sie sich als jene verstehen, die nach oben gehören.

Sie akzeptieren daher Ungleichwertigkeitsideologien, zu denen vor allem menschenfeindliche Einstellungen gehören. Personen mit rechtspopulistischer und rechtsextremer Orientierung wären demnach nicht nur autoritär gehorsame Menschen, sondern je nach ihren Umständen und ihrer Sozialisation macht- und herrschafts-orientiert. Sie möchten oben in der Hierarchie stehen.> (S. 32)

 

 

Wer sich mit der Geschichte der Linken auskennt, wird zugeben, dass ihnen ‚Dominanzorientierungen‘ durchaus nicht fremd sind, vor allem, wenn sie an die Macht gekommen sind. (Ich erinnere nur an Robert Michels Studien zur SPD noch vor 1914).  Sie sind an Vorrechten interessiert und wissen genau, wer höher- und wer minderwertige Gruppen in der Hierarchie sind. Sie bilden sich ein, zu wissen, wer Freund und wer Feind ist. Zu ihrer jeweiligen Ungleichwertigkeitsideologie gehört selbstverständlich eine menschenfeindliche Einstellung. Personen mit linker Orientierung wären demnach nicht nur autoritär gehorsame Menschen, sondern je nach ihren Umständen und ihrer Sozialisation macht- und herrschafts-orientiert. Sie möchten oben in der Hierarchie stehen.

Interessanter Hinweis dieser Projektion: Die Autoren dieser Studie projizieren hier ihre eigene (starke) Dominanzorientierung auf die verfemten ‘Rechtspopulisten’ (und mit ihnen in einen Topf verrührten Rechtsextremisten). In Wahrheit wollen diese Autoren unbedingt selber „oben in der Hierarchie stehen“, dürfen das aber nicht vor sich selber wahrhaben, weshalb es in aller Reinheit und Absolutheit auf die ‘Gegner’  projiziert werden muss.

 

 

 

(04)

<Die Behauptung der Ungleichwertigkeit von Gruppen in einer Gesellschaft ist das Fundament antidemokratischer Orientierungen und politischer Ideologien, die die Grundfeste der Demokratie erschüttern. Sie manifestiert sich auch oder insbesondere in einer Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF).

...

Der Ausschluss bzw. die Abwertung von Menschen sind Lebenselixier solch antidemokratischer Orientierungen, die sich und ihre Machtansprüche durch Feindbilder aufrechterhalten und begründen.> (S. 53)

 

 

Ich denke die Autoren der Mitte-Studie haben hier was Wahres erkannt, das man ihnen zugute halten könnte – wenn, ja wenn sie nicht so monoman einseitig wären. Diese Einstellung findet sich leider bei ganz verschiedenen Gruppen, beispielsweise bei den Islamisten. Und wie schon unter (03) dargelegt, betrifft dies auch Linke und erst recht Linksextreme. Außerdem halte ich diese Sichtweise der Autoren der Studie, die sich ja ausschließlich gegen ‚rassistische‘ Vorurteile, „Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und neurechte Vorstellungen“ richten soll, primär erst einmal für eine Projektion des eigenen Geisteszustandes der Autoren auf jene verhassten Gruppierungen.

 

Interessanter Hinweis dieser Projektion: Diese Studie hat demnach als ernstzunehmendes Resultat, sofern sie als ‘wissenschaftliche’ Grundlage der politischen Ideologie vieler Linker benutzt wird, dass sie die Grundfesten der deutschen Demokratie zu erschüttern in der Lage ist. Mit der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“, insbesondere gegenüber der AfD, gegen Islamkritiker usw., zeigen sich auf verschiedenste Weise schon seit einiger Zeit diese antidemokratischen Orientierungen. Z.B. durch massive Störungen genehmigter Demonstrationen und Parteiversammlungen oder durch Gewalt gegen Personen, die von Linken gerne als ‘Nazis’ bezeichnet werden - beispielsweise gegen Uwe Junge. Nicht zu vergessen die schleichende Zunahme von Zensur, beispielsweise bei YouTube hier und hier.

 

 

 

(05)

<Wenn Menschen Vorurteile gegenüber anderen haben, dann steuern die Vorurteile die Wahrnehmung der Realität und die Art und Weise, wie Menschen mit ihrer Umwelt interagieren und kommunizieren.

»Das Vorurteil ist das Kind der Ignoranz«, schreibt William Hazlitt schon 1830 (hier zit. n. Hazlitt 2017, S. 33). Es erschafft im Voraus eine eigene Realität über »die Anderen«, sodass diese schlechter, fremder, andersartiger, boshafter und gefährlicher erscheinen. Vorurteile verallgemeinern über andere. Als negative Vorurteile schreiben sie ihnen negative Merkmale zu, die im äußersten Fall scheinbar unveränderlich sind und sich gegen Gegenargumente oder Fakten abschotten, auf jeden Fall aber andere abwerten und ausschließen.

(...)

Dabei ist zu erkennen, dass sie zunächst Ausdruck einer feindlichen Haltung sind, die die Anderen oder den Anderen als minderwertig darstellt, auf Distanz hält, ausschließt oder deren Vernichtung rechtfertigt. Zweitens sind sie in der Regel Urteile, die sich häufig in Einstellungen ausdrücken, die gesellschaftlich geteilt werden. Sie drücken eine kollektive Feindseligkeit aus, die nach Diskriminierung »der Anderen« strebt.> (S. 53/54)

 

 

Das ist alles sehr schön ausgedrückt und meiner Ansicht nach 100%ig richtig. Jedoch auch hier sehe ich wiederum die Projektion am Werk: die anderen (die Feinde) haben das Vorurteil für sich gepachtet, wir selber sind natürlich frei davon.

Aber Vorurteile sind kein Privileg von Nazis, Rechten oder Rassisten. Sie sind ein wesentlich universelleres Problem. Es wäre eine interessante wissenschaftliche Thematik, möglichst viele Exempel aufzuführen und deren Funktion in der Gesellschaft oder in Gruppen zu eruieren. (Es kann zum Beispiel das Vorurteil einer Mutter gegen ihr eigenes Kind geben, wenn das Kind das Schwarze Schaf der Familie sein soll; das wäre ein Fall von ‘Familiendynamik’).

 

Durch mancherlei genauere Beobachtung - und durchaus auch eigener Teilnahme - an den  Kommentaren zu politischen Videos bzgl. Flüchtlinge, AfD, Islam etc. bei YouTube konnte ich in den letzten Jahren die umfassende Macht des Vorurteils in der Politik am Werk sehen. Genauso, wie es die Autoren allgemein-theoretisch (siehe oben) beschreiben!

Ich finde jedoch, es kann nicht angehen, dass man einer Gruppe Vorurteile anlastet und damit die Sache für erledigt hält. An politischen Prozessen sind in der Regel zwei und mehr - oft divergierende -  Gruppierungen beteiligt. Und in der Regel ist es so, dass keine einzelne daran beteiligte Gruppierung in den diesbezüglichen kommunikativen Interaktionen und Einzel-Statements  das Monopol auf Vorurteile hat. Darum ist es meiner Ansicht nach die falsche Vorgehensweise, nur einer Gruppierung (den ‘Rechten’) Vorurteilsbildung anzulasten. Es geht meiner Ansicht nach eigentlich um den Kampf gegen das Vorurteil an und für sich, egal von welcher Seite es kommt. Dabei muss nach meinem Dafürhalten im Zentrum stehen die Auseinandersetzung bzgl. haltbarer Argumentation vs. haltloser (nicht belegter, rein verdächtigender, unterstellender oder diskriminierender) Argumentation. M.a.W.: im Zentrum müsste beim Kampf gegen das Vorurteil (beispielsweise in irgendwelchen Diskussionsforen) der Kampf um die haltbare Argumentation stehen.

 

 

 

(06)

<Menschenfeindliche Meinungen verletzen die Würde derjenigen, die damit markiert werden. Sie sprechen Gleichwertigkeit ab und behindern damit das Prinzip der Teilhabe für alle Menschen und Gruppen.

(...)

selbst dann, wenn diese sich mit dem Argument abschotten, dies wären keine Vorurteile, rassistischen Äußerungen oder Diskriminierungen, sie wären nicht so gemeint und eigentlich sei alles als objektive Kritik gedacht. Die Macht des Vorurteils besteht genau darin, sich selbst zu erhalten und abzuschotten gegen Kritik, Argumente oder auch tradierte Normen und Wertvorstellungen.> (S. 54)

 

 

Auch hier wieder eine wunderschöne Projektion. Man denke an das „Prinzip der Teilhabe“ für alle Gruppen, wenn es um die politische Teilhabe der AfD geht. Hier wird gleichfalls die Würde von etlichen Menschen verletzt. Ich erinnere an die Hetzreden der SPD-Abgeordneten Kahrs und Schulz gegen die AfD. Sie vertraten im Bundestag lautstark ziemlich analoge Positionen wie die Macher der Mitte-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Kahrs wurde wegen dessen Aggressivität, nachdem die AfD-Fraktion unter Protest den Saal verlassen hatte, von dem fungierenden Bundestagspräsidenten zum Schluss ernsthaft angemahnt.

Auch ist bei der Mitte-Studie selbstverständlich  „alles als objektive Kritik gedacht“ und es existiert natürlich keinerlei Vorurteil seitens der Autoren.

 

 

 

(07)

<GMF [Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit] drückt die Zuschreibung der Ungleichwertigkeit gegenüber bestimmten Gruppen aus. Die Ungleichwertigkeit ist wesentliches Kernelement und Scharnier zu politischen Orientierungen, vor allem von rechtsextremen (...), rechtspopulistischen  (...) und  neurechten  Orientierungen   (...). Menschenfeindlichkeit und ihre unterschiedlichen Elemente selbst können als antidemokratische Einstellungen und Orientierungen aufgefasst werden, eben weil sie eine Ungleichwertigkeit behaupten, die sich mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Menschen in Demokratien nicht verträgt  (...). Wir halten daher die Analyse und empirische Beobachtung der offensichtlichen und versteckten Ausprägungen und Entwicklungen von GMF für sehr relevant.> (S. 55)

 

 

Das ist auch wieder eine sehr schöne Projektion. Vor allem wundere ich mich, wie gut das mit der ‘GMF’ bzgl. Demokratie erkannt ist. Ich komme mir vor, wie unter professionellen Sonntagsrednern! „Menschenfeindlichkeit und ihre unterschiedlichen Elemente selbst können als antidemokratische Einstellungen und Orientierungen aufgefasst werden.“ Wie wahr! „Wir halten daher die Analyse und empirische Beobachtung der offensichtlichen und versteckten Ausprägungen und Entwicklungen von GMF für sehr relevant.“ Das wäre in der Tat sehr relevant, wenn die Autoren sich selbst, ihre SPD und andere Linke mit einbeziehen würden. Dann hätte nicht nur die rechtsextreme sondern auch die GMF der deutschen Linken gegen die AfD diejenige Dimension, die ihr gebührt, nämlich dass sie wichtige demokratische Prinzipien verletzt. (Wie das von mir (ansatzweise) schon unter Punkt (4) zum Schluss aufgeführt wurde.)

Wobei ich solcherlei Analysen keineswegs für überflüssig halte; also: dass man in sie alle für sie relevanten Gruppen mit einbezieht. Denn sie stehen ja in Interaktion miteinander und verhalten sich aufeinander bezogen und nicht  absolut ‘an und für sich’, wie eine simple Erkenntnistheorie nahelegt. Wenn man das Thema ‘Spaltung der Gesellschaft’ tatsächlich ernsthaft angehen würde, müsste meiner Ansicht nach genau dieses Thema der Verletzung demokratischer Prinzipien, gehandhabt von wichtigen politischen Gruppierungen, vorrangig aufs Tapet gebracht werden. Dann könnte sich, nach meiner Vermutung,  zeigen, inwieweit die (beispielsweise grundgesetzlich) vorgegebenen demokratischen Prinzipien, falls man sie beachtet, eine friedensstiftende Wirkung haben und inwieweit ihre Nichtbeachtung den innergesellschaftlichen Gegensatz (bis hin zum ernsthaften Konflikt) anheizt.

 

 

 

(08)

<Aus der Markierung als »ungleich« folgt die »Ungleichwertigkeit«, d. h. die Adressierten werden mit Ignoranz, Abwertung, Ausgrenzung, Boshaftigkeit, Perversität, Diskriminierung und auch mit Gewalt konfrontiert. Gruppenbezogen ist dies, da es sich nicht um ein Feindschaftsverhältnis zwischen Einzelnen handelt, sondern um ein Verhältnis zwischen Gruppen, d. h. die Abwertung fußt auf sozial geteilten Urteilen über Gruppen oder Personen aufgrund ihrer zugewiesenen Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Individuen vertreten menschenfeindliche Meinungen, weil sie diese tatsächlich oder vermutet mit anderen teilen, die ihre Bezugsgruppe darstellen.> (S. 56)

 

 

Dabei sollen jedoch offenbar nur „Merkmale der kulturellen, ethnischen oder nationalen Herkunft, der Religion, des Geschlechts, der sexuellen Identität, sozialen Lebenslage oder einer Behinderung“ berücksichtigt werden. (S. 55). Diese (spezielle) Sichtweise verdeckt allerdings, dass dies ebenso auch die Haltung, beispielsweise der SPD, gegenüber der AfD darstellt. Dass also auch Merkmale der politischen Richtung eine gewichtige Rolle bei solchen gruppenbezogenen Feindschaftsverhältnissen spielen können. - Dass Merkmale der politischen Richtung in der Merkmalsauflistung der Autoren fehlen, beruht offenbar auf  mangelnder Fallunterscheidung.

Jenes Verdecken, dass die gruppenbezogene Abwertung ebenso auch die Haltung, beispielsweise der SPD, gegenüber der AfD darstellt, ist meiner Ansicht nach Ausdruck der typischen Projektionshaltung der Autoren der Mitte-Studie: sie wollen/können ihre eigene Rolle nicht wahrhaben und projizieren sie deswegen unbedingt auf die Anderen (die Feinde).

 

 

 

(09)

<Eine Gruppe oder Person, die negative Vorurteile gegenüber einer bestimmten Gruppe äußert, wertet mit einer höheren Wahr-scheinlichkeit auch andere Gruppen ab. Die verschiedenen Vorurteile sind also Elemente eines GMF-Syndroms.

(...)

Die Abwertung der Anderen trägt dazu bei, den Selbstwert, der aus der Zugehörigkeit zu einer Bezugsgruppe »Wir« resultiert, zu stärken.> (S. 57)

 

Zwei schöne Binsenweisheiten, die wacker und ausschließlich auf die allein unselig machenden ‘Rechten’ und die angeblich rechtslastige ‘Mitte’ projiziert werden. Jedoch: beispielsweise ein Islamist, der was auf sich hält, hat selbstverständlich auch seinen ganzen Strauß von Hassobjekten: unverschleierte Frauen (in islamischen Ländern), Schwule,  Israel, die USA, die Ungläubigen (und je nach Richtung: Sunniten, Schiiten, Aleviten), Schweinefleisch, Hunde, usw. Und auch die Linken schleppen ihr Bündel Hassobjekte trillerpfeifend durch die Straßen: Die Rechten, die ‘islamophoben’ Islamkritiker, die Kapitalisten, die Vermieter,  Donald Trump, Putin, der G20 Gipfel, usw.

Und die Hassenden aller Länder und Richtungen vereinigen sich darin, dass sie mit ihrem Hass ihr Selbstwertgefühl “aus der Zugehörigkeit zu einer Bezugsgruppe” stärken wollen.

 

 

 

(10)

<Ein bedeutender Teil der Bevölkerung zieht es vor, wenn es die Möglichkeit gibt, menschenfeindlichen Einstellungen weder offen zuzustimmen noch diese offen abzulehnen. Sie rücken gewissermaßen in eine Mitte, die eine »teils/teils-Meinung« vertritt.> (S.115)

 

Die Autoren haben sich in ihrer 2018/2019er Studie durchgerungen, auch ‚teils-teils‘-Fragen in ihrer Befragung zuzulassen. Sie haben jedoch eine eigenartige Art der Interpretation. Nach ihrer Ansicht kann man eigentlich nicht teils schwanger sein, teils nicht. D.h. sie meinen, die Leute wollten mit dem teils-teils in Wirklichkeit ihre richtige Meinung verstecken (dass sie eigentlich schwanger gehen mit Menschenfeindlichkeit).

 

Wenn ICH also gefragt würde, ob die Zigeuner kriminell seien in der Form: „Sinti und Roma neigen zu Kriminalität“ würde ich ebenfalls auf der 5er Skala von Zustimmung (überhaupt nicht, eher nicht, teils/teils, eher zu, voll und ganz zu) mit teils-teils antworten. Aber nicht, weil ich meine Meinung verbergen will, dass ich allgemein was gegen Zigeuner hätte, sondern weil ich tatsächlich der Ansicht bin, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Leute, wenn sie nach Deutschland kommen, kriminell & asozial ist. Aber ein anderer, wahrscheinlich ebenfalls nicht unerheblicher Teil, selbstverständlich wiederum nicht. Und für mich ist das kein ‚Vorurteil‘ und auch keine ‚Menschenfeindlichkeit‘ sondern es ergibt sich für mich aus jahrzehntelangem genaueren Studium von Zeitungsberichten und seit einigen Jahren auch Dokumentar-Filmberichten. Dementsprechend würde ich bei den meisten anderen Völkerschaften nicht mit ‘teils-teils’ antworten, sondern mit ‚eher nicht‘.

 

Somit ergibt sich für MICH: die eigenartige Interpretation der Autoren von solcherlei ‚teils-teils‘ Antworten kann von mir aus für etliche Befragte durchaus zutreffend sein, aber nicht für alle. Und deshalb werde ICH mich hüten, in Zukunft an irgendwelchen politischen Befragungen teilzunehmen, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sodann meine gut überlegten, ehrlichen Antworten den üblen Projektionen der Auswerter der Befragung ausgeliefert sind.

 

Die Frage:

<Die Ausländer kommen nur hier her, um unseren Sozialstaat auszunutzen.> (S. 124)

... würde ich zusammen mit 30% meiner Landsleute ebenfalls mit teils-teils beantworten. Das Ganze steht aber bei den Autoren unter dem Verdikt der “Fremdenfeindlichkeit” (als Spezialfall von Menschenfeindlichkeit). Also die Wahrheit, auszusprechen, dass dies bei einem keineswegs geringen Anteil der Scheinasylanten tatsächlich der Fall ist, ist ‘fremdenfeindlich’? Mein Gott, wie geistig tief sind wir schon  gesunken! - Auch hier wieder eine der üblen Projektionen der göttergleichen Auswerter der Befragung, der ein harmloser Befragter ausgeliefert wird.

 

 

 

(11)

Ganz analog geht es zu bei der Aussage: „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen, ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden.“ Wer dieser Aussage zustimmt, wird dann tatsächlich von den Autoren als ‚Rassist‘ entlarvt, denn hier werden „offen pauschal »Ausländer«“ abgewertet (S. 166).

Es ist schon frappant, wie pseudowissenschaftlich diese Sozialwissenschaftler hier argumentieren. Denn unter denen, die hier zustimmen, mag tatsächlich ein gewisser Anteil ‚pauschal‘  alle Ausländer ohne Unterschiede abwerten, aber andererseits gibt es mit Sicherheit auch einen hohen Anteil derer, die Kritisches über irgendwelche oder auch ganz bestimmte Gruppen von Ausländern sagen, aber keineswegs deswegen pauschal (alle) Ausländer abwerten wollen. Man sieht also: auch hier ist wieder eine übelwollende Projektion der Auswerter am Werk.

Auf diese Weise zimmern diese Sozialwissenschaftler sich also eine fremden- und menschenfeindliche ‚Mitte‘ zusammen. Das geht so schnell, wie der Teufel sich die Seele holt:

<Die Unterstellung eines Meinungsdiktats bezieht sich in der Formulierung, die wir gewählt haben, nicht auf irgendeine Meinung, sondern die erste klar darauf, offen pauschal »Ausländer« abzuwerten, in beiden Aussagen [die zweite Aussage lautet: „In Deutschland kann man nicht mehr frei seine Meinung äußern, ohne Ärger zu bekommen“] spiegelt sich zudem die auch für Vorurteile typische Täter-Opfer-Umkehr; wer hier zustimmt, sieht sich selbst als Opfer, weil er sich in der offenen Äußerung von Rassismus beschnitten und als Rassist beschimpft fühlt – es geht also offenbar darum, rassistisch sein zu wollen, ohne dafür gerade stehen zu müssen, mehr noch, sich dann selbst zu bemitleiden.> (S. 166)

 

Denn das Problem, vor dem jene Autoren stehen ist, dass 55% „eher oder voll“ der ersten Aussage zustimmen und 27% der zweiten Aussage (siehe Tabelle 5.1, S. 164): ergo ist schon in diesem hier dargelegten Falle nach ihrer Pseudo-Logik die ‚Mitte‘ rechtsradikal verseucht (rassistisch, fremdenfeindlich, menschenfeindlich, usw.)!

 

 

Bei dieser Thematik (11), aber auch bei (08) und (10), handelt es sich ganz offenkundig um mangelnde Fallunterscheidungen. D.h., es gibt jeweils mindestens noch eine wichtige andere Erklärung oder eine weitere Sichtweise als dies von den Autoren übelmeinenderweise unterstellt wird. Meiner Ansicht nach gehören solcherlei  mangelnde Fallunterscheidungen durchaus nicht zufällig als wesentliches Merkmal zur politischen Propaganda, wie das meine Analyse “Was ist Propaganda?” anhand zweier relevanter Beispiele aufzeigt. Ich möchte daraus zitieren:

<Ich halte es mittlerweile für eine interessante Hypothese, anzunehmen, dass es kein Zufall ist, wenn bei der Produktion einer Propaganda-Legende der ideologische Argumentationstrick der mangelnden Fallunterscheidung eine ganz wesentliche Rolle spielt.

Die Anwendung des Tricks bewirkt ja, dass hiermit das objektive Denken über einen bestimmten Sachverhalt ausgeschaltet wird. Ich glaube, dass es sich hierbei um ein interessantes logisches Problem handelt. Denn in meinen Augen ist dieser Trick eine verkappte Form des Circulus vitiosus, zu Deutsch: ein ‚Zirkelschluss‘. Das heißt: Eine Folgerung kann nicht aus sich selbst (d.h. schon in ihren Voraussetzungen steckend) abgeleitet werden, wenn sie keine Tautologie sein soll.

Wenn ich nur das bei meiner Argumentation voraussetze, was mir gefällt, und alles Übrige ausblende, so komme ich selbstverständlich auch zu einem Ergebnis meiner Argumentation, das mir gefällt. Objektives Denken erfordert jedoch, dass man auch relevante Sachen mitberücksichtigt, die mir nicht genehm sind. Dass man also eine haltbare Fallunterscheidung trifft. Wenn beispielsweise Dr. Ley einzig davon ausgeht, dass wir mit Adolf Hitler den Krieg gewinnen werden, und nicht berücksichtigt, dass wir auch mit Hitler den Krieg verlieren können (ja sogar sehr wahrscheinlich verlieren werden!), so kommt er selbstverständlich zu demjenigen Ergebnis, das ihm in den Kram passt, dass nämlich die Leute des 20. Juli 44 definitiv Verbrecher sind, da sie uns ja an die Feinde ausliefern (wollen). Hätte er die Wahrscheinlichkeit des weiteren Kriegsverlaufs berücksichtigt, so wäre auch die Frage, ob die Leute des 20. Juli tatsächlich ‚Verbrecher‘ waren, zu erörtern.> Aus: Was ist Propaganda?

 

Insofern es sich hier tatsächlich um ‘Propaganda’ bei der Studie handelt - und ich selber zweifle nicht daran - steht natürlich auch die Frage im Raum, inwieweit das statistische System, das sich die Autoren mit Hilfe der Befragungen und ihren Interpretationen zurecht gezimmert haben, überhaupt haltbar ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich an John Perkins erinnern:

<Dabei entdeckte ich, daß Statistiken manipuliert werden können. Sie lassen die unterschiedlichsten Schlußfolgerungen  zu  und  untermauern  in  der  Regel  vor  allem  die  bereits  gefaßte  Meinung  des Analytikers.>

(Aus: John Perkins:  Bekenntnisse eines Economic Hit Man. Unterwegs im Dienst der Wirtschaftsmafia, Riemann Verlag, München 2004, Seite 20)

 

__________________________________________________

Nachdem ich den obigen Text verfasst hatte, schaute ich mich noch mal  nach anderen kritischen Sichtweisen im Internet um:

 

Links zur Kritik der Mitte-Studie (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

 

Tichys Einblick: Mitte-Studie, Teil I: Wie die SPD ihre verlorenen Wähler rechtsextrem schimpft...und Teil 2: Überschaubares hochgepumpt auf Roman-Format.

____________________________

ScienceFiles, Kritische Sozialwissenschaftler: Mitte-Studien Junk: Das Waterloo journalistischer Sorgfalt als ARD-vorab-Manipulation, 25.04.2019

<Wenn jemand z.B. vermutet oder überzeugt davon ist, dass die meisten Asylbewerber in ihren Herkunftsländern gar nicht verfolgt werden, dann ist das eben seine Vermutung oder Überzeugung. Sie kann falsch oder richtig sein. Jedenfalls sagt die entsprechende Vermutung oder Überzeugung des Befragten einfach nur etwas darüber aus, was dieser Befragte vermutet oder wovon er überzeugt ist – nicht mehr nicht weniger.

Wenn jemand bestimmte Überzeugungen, die andere Leute haben, als “Abwertung” interpretiert, dann sagt das etwas über die Überzeugungen DIESER Person, die hier heruminterpretiert, um nicht zu sagen; herumerfindet, aber das ist auch der einzige Bezug zur Empirie, den eine solche Wertung herzustellen im Stande ist!> (Dr. phil. habil. Heike Diefenbach in einem Kommentar des Artikels „Mitte-Studien Junk“)

___________________________

ScienceFiles, Kritische Sozialwissenschaftler: Dr. habil. Heike Diefenbach: Genug ist genug: Wider den Mitte-Studien-Dilettantismus. 02.05.19

In einem Kommentar schreibt Dr. phil. habil. Heike Diefenbach am 03.05.19:

<Ja, Sie und “wolpezi” im oben stehenden Kommentar verhalten sich völlig vernünftig, wenn Sie die Teilnahme an Befragungen ablehnen, denn wer läßt sich sehenden Auges von “Forschern”, denen gegenüber man ein Stück von der eigenen Zeit gegeben hat, vom eigenen Leben, wenn nicht von sich selbst, berichtet hat, verunglimpfen?

Aber das ist es eben: Als Soziologin kann ich darüber nicht glücklich sein!

Soziologen haben sich vor zehn, zwanzig Jahren sehr viel Mühe gegeben damit, Befragte irgendwie an ihrer Forschung zu beteiligen und sie von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen, und sei es nur durch das Versprechen der Zusendung von Ergebnisberichten, der Verteilung kleiner, eher symbolischer Geschenke – einfach als Dank, um Wertschätzung auszudrücken. Zumindest stellen Sozialwissenschaftler ihre Fragen aufrichtig, also nicht so, dass sie Befragte in irgendetwas hineinzwingen (z.B. dadurch, dass bei Antwortskalen die Mittelkategorie weggelassen wird). Befragte sind ja eben nicht irgendwelche “Menschen auf der Straße”, sondern Leute mit Ausbildungen, Berufen, Wissen, Erfahrungen etc., die man einfach manipulieren kann – und warum sollte man das als Sozialwissenschaftler auch tun wollen!?. Menschen wollen auch in ihrer Eigenschaft als Befragte anständig behandelt werden, und dazu gehört, dass man ihnen ernsthaft und mit Aufrichtigkeit begegnet, ganz so, wie man selbst behandelt werden möchte.

Das alles wird in Mißkredit gebracht durch die neue deutsche Wissenschaftsparodie der Stiftungen, Parteien, An-Insitute, aber auch Schnell-Befragungs-Institute für Medien.

Der Verlust für die SozialWISSENSCHAFTEN ist enorm. Wir können nur wenig dagegen tun. Wir können nur mit besserem Beispiel vorangehen und hoffen, dass die Leute die Geduld und das Interesse aufbringen zu unterscheiden und zu fragen, wer führt die Befragung zur Beantwortung welcher – konkreten! – Fragestellung durch?, und ein Gespür dafür zu entwickeln, wann sie hinter’s Licht geführt werden sollen, was (u.a.) daran erkennbar ist, ob die Antwortvorgaben eine Mittelkategorie UND ein “weiß nicht” oder “will/kann ich nicht angeben” umfassen.>

__________________________

ScienceFiles, Kritische Sozialwissenschaftler: Der Mitte-Studie-Betrug. 26.04.19

__________________

ScienceFiles, Kritische Sozialwissenschaftler: ARD-Faktenfinder: Der Blödsinn zur Mitte-Studie ist nicht mehr steigerbar. 02.05.19

__________________________

Ein früherer WordPress-Artikel von 2016: Studie “Enthemmte Mitte” eher eine „Enthemmte Lüge“, 18.06.16